: „Windrad-Verbot ist überholt“
Es ist höchste Zeit, Berliner Gebiete für Windkraftanlagen offiziell auszuweisen, sagt der SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz. Niemand brauche eine Verspargelung zu fürchten
taz: Herr Buchholz, Windräder in einem dicht bebauten Stadtstaat – ist das Öko-Spinnerei?
Daniel Buchholz: Keineswegs. Natürlich geben wir uns nicht der Illusion hin, dass die Windkraftbranche in Berlin boomen wird. Aber Berlin ist als einziges Bundesland bei dieser innovativen Energiequelle außen vor. Das ist in Zeiten knapper fossiler Brennstoffe und steigender Ölpreise ein falsches Signal.
Müssen Anwohner die Verspargelung vor der Haustür fürchten?
Nein. Die Gebiete, die in Frage kämen, liegen wirklich an der Stadtgrenze. Und natürlich würden sämtliche Lärmschutz- und Abstandsregelungen detailliert eingehalten. Dabei orientiert sich Berlin im Bundesvergleich an den anwohnerfreundlichsten Vorschriften. In Brandenburg dürfen Windräder oft näher an Wohnsiedlungen stehen.
Im Flächennutzungsplan steht, dass sich die Stadt nicht für Windkraftnutzung eignet. Deutlicher kann man Interessenten nicht abschrecken.
Richtig. Der Passus ist längst nicht mehr zeitgemäß. Deshalb ist es höchste Zeit für die Änderung, die die Umweltsenatorin jetzt anschieben will.
Wie muss der Plan geändert werden?
Eine Möglichkeit wäre, die entsprechenden Sätze einfach zu streichen. Konsequenter ist aber, Windvorrang-Gebiete offiziell auszuweisen, die besonders geeignet sind. Dies gäbe Betreibern mehr Sicherheit.
Eine Korrektur des Planes wird eineinhalb Jahre dauern.
Das Windrad-Verbot ist überholt und angesichts neuerer Urteile auch nicht rechtsverbindlich. Wenn Interessenten – wie zum Beispiel das Projekt Bürgerwindenergieanlage in Pankow – seriös planen, müssen alle Verwaltungsebenen in Bezirk und Senatsverwaltung die Ampeln auf grün schalten. Unabhängig davon, ob der Flächennutzungsplan schon geändert ist.
Ein Gutachten erklärt nur vier Gebiete für geeignet. Lohnt das überhaupt den Aufwand?
Das Gutachten schließt leider alle Flächen kategorisch aus, die für potenzielle Industrieansiedlungen freigehalten werden. Das ist Unsinn. Zum einen sind willige Investoren ja leider selten geworden. Außerdem könnte man neben manche Fabriken problemlos Windräder stellen – wo Maschinen hergestellt werden, rattert es so laut, dass Windanlagen nicht stören.INTERVIEW: ULRICH SCHULTE