: „Die Ruhe ist ein Plus“
STANDORTSICHERUNG Eine Initiative bringt Kreativ-Studierende mit Unternehmen im strukturschwachen, von Überalterung bedrohten Wendland zusammen. Das Ziel: Jobs und Produkte, die zur Region passen
Viele kennen das Wendland vor allem als Ort lebendiger Protestkultur: Wenn der Castor-Transport mit dem Atommüll für das Zwischenlager Gorleben kommt, stößt er immer wieder auf massiven Widerstand. Doch sucht die Region an Elbe und Jeetzel inzwischen nach einem neuen Image. Oder, wie es Renate Ortmanns-Möller vom Verein Region aktiv in Lüchow sagt: nach Innovation und kreativen Köpfen, die „die Region in Bewegung bringen“.
„Die Region muss sich öffnen, Kontakte knüpfen und Angebote machen, vor allem auch an junge Leute“, sagt auch Michael Seelig, Mitinitiator der „Grünen Werkstatt Wendland“. Gemeinsam mit neun anderen hat Seelig den Förderverein für zukunftsorientierte Entwicklung im Elbetal (ZEE) gegründet. Das Ziel: Das Wendland soll ein lebendiger, kreativer und ökologisch wertvoller Raum zum Leben und Arbeiten werden – gerade auch für junge Familien. Eines der jüngsten ZEE-Projekte ist die Grüne Werkstatt, in der örtliche Unternehmen mit jungen Kreativen zusammenarbeiten.
Auf die Zusammenarbeit mit jungen Studierenden hatte zuletzt das Wendland-Designcamp in Kukate gesetzt: Auf dem Werkhof in Waddeweitz, auf dem Michael Seelig mit seiner Familie lebt, trafen sich Studierende von Hochschulen in Hildesheim, Halle und Berlin, um neue Produktideen zu entwickeln.
Selbermach-Vogelhaus
Heraus kam eine Reihe von Vorschlägen, die derzeit von den beteiligten Firmen weiter entwickelt werden – beispielsweise ein Vogelhaus zum Selbstbauen aus ökologisch einwandfreien Rohstoffen, ein Kartenspiel, das Kinder für das Thema gesunde Ernährung interessieren soll und die „Wendlandtasche“, die der Plastiktüte den Rang ablaufen soll.
Für den Safthersteller Voelkel in Höhbeck entwickelte man Transporthalterungen. Aber auch das Kartenspiel „Ausgequetscht“ will der Hersteller von Natursäften an den Markt bringen. „Nirgendwo sonst in Deutschland werden so viel Produkte in Bio-Qualität erzeugt“, sagt Martina Grud von der Wirtschaftsförderung Lüchow-Dannenberg. Nachhaltig muss deshalb sein, was von der Grünen Werkstatt kommt. „Was im Designcamp entwickelt wird, muss zur Region passen.“
Ob das der Fall ist, entschied im Anschluss an das zweiwöchige Camp dann eine Jury. „Wir wollen die Ideen der Studierenden und das Wissen der Firmen zusammenbringen“, sagt Marc Piesbergen von der Grünen Werkstatt. „Dabei sollen die Teilnehmer nicht gratis arbeiten. Bevor ein Projekt marktreif wird, müssen sich die Beteiligten über die Verwertung geeinigt haben.“
Um das Designcamp zu finanzieren, haben die beteiligten Firmen zusammengelegt, aber auch die Kommunen haben sich engagiert. Geld kam außerdem vom europäischen Regionalfonds (EFRE). Alle Beteiligten bringen die Hoffnung zum Ausdruck, dass die geknüpften Kontakte weiter wirken. Denn, so die allgemeine Einschätzung: Wenn sich das Wendland nicht bewegt, könnte es zu den Verlierern des demographischen Wandels gehören. Die Region ist dringend auf den Zuzug junger Köpfe angewiesen – „und die interessieren sich nur für das Wendland“, sagt Michael Seelig, „wenn wir ihnen Arbeit bieten“. Natürlich gehe es auch darum, „junge Leute hierher zu holen und ihnen zu zeigen, was das Wendland bietet“, sagt Martina Grud.
„Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, hier in Zukunft zu leben“, sagt Marc Piesbergen. Er ist aus Berlin hierher gekommen und sagt, er hab binnen 14 Jahren auch die Nachteile des Großstadtlebens kennengelernt. „Die Ruhe hier draußen ist ein absolutes Plus. Für Kinder ist es großartig, hier aufzuwachsen.“
„In der Stadt haben Sie oft auch lange Wege“, sagt die Künstlerin Irmhild Schwarz, Gründungsmitglied der Grünen Werkstatt. „Unser soziales Netzwerk hier draußen ersetzt vieles.“
Wachsendes Interesse
Für das nächste Designcamp im Herbst kommenden Jahres hätten weitere Hochschulen Interesse angemeldet, sagt Seelig. Bis dahin hat wahrscheinlich auch das erste Ergebnis der Grünen Werkstatt als Wirklichkeit gewordenes Produkt seinen Weg am Markt gefunden: Bei dem Gesellschaftsspiel „Super-GAUdi“ geht es darum, Atommüll besonders listig zu verstecken.
ELKE SCHNEEFUSS
Das Spiel „Super-GAUdi“ kann auf der Seite der „Grünen Werkstatt“ (www.gruene-werkstatt-wendland.de) bestellt werden – und im taz.shop (www.taz.de/tazshop)