: Höre die Schmerzen
KONZEPTPUNK Ex-Herpes-Sänger Florian Pühs kennt mit seiner neuen Band Ecke Schönhauser nur ein Thema: Aus seinem Trennungsschmerz hat er mit „Input“ ein bitterböses und verzweifeltes Monster von Album verfasst
VON THOMAS WINKLER
Das ist keine große Neuigkeit: Wenn eine Liebesbeziehung zu Ende geht, dann tut das weh. Sehr viel großartige Kunst ist aber schon aus qualvollen Trennungen entstanden. Seltsamerweise verwandelt sich der Schmerz gern in sehr schöne Musik. Im Punk, also in diesem Fall bei Ecke Schönhauser, ist das natürlich anders. Da bleibt der Schmerz das, was er nun mal ist: schmerzhaft.
Zu diesem Thema hat die Berliner Band, die sich den sehr berlinerischen Namen Ecke Schönhauser gegeben hat, nun ein ganzes Album verfasst. Ein Konzeptalbum also – und das kam so: Florian Pühs war einst nicht nur Sänger, Songschreiber und kreativer Kopf der aufstrebenden Punkband Herpes, sondern zudem auch der Lebensabschnittsbegleiter von Anna Hjalmarsson, ihres Zeichens Keyboarderin von Herpes. Als sich der Vokalist und die Tastenspielerin nicht mehr ganz so gut verstanden, das darf man vermuten, bekam das auch der gemeinsamen Band nicht. Herpes jedenfalls, so viel steht fest, waren plötzlich keine aufstrebende Band mehr, sondern nur noch eine, die ihre Zukunft schon hinter sich hatte.
Pühs gründete schnell eine neue Band, die nur einen Zweck verfolgte. Dem Künstler zu helfen, die Trennung zu verarbeiten. Er nannte die Band Ecke Schönhauser, weil das nicht nur der Name eines legendären Defa-Films ist, sondern auch den Kiez identifiziert, in dem die Beteiligten wohnten oder sogar noch wohnen. Er nahm ein Bild der ehemaligen Freundin, bearbeitete es nur notdürftig und setzte es auf das Cover des ersten Ecke-Schönhauser-Albums „Input“. Und er schrieb exakt neun Songs, die trotzig nur ein einziges Thema kennen. Dazu noch der sich thematisch eh hervorragend einpassende und mit ein paar zusätzlichen deutschen Zeilen versehene Stooges-Klassiker „I Wanna Be Your Dog“ und fertig ist ein bitterböses, verzweifeltes, alle Brücken hinter sich abreißendes und nur mehr verbrannte Erde zurücklassendes Monster von Album, das bloß eine knackige halbe Stunde benötigt, um ein paar richtig fiese Untiefen zu durchschiffen.
„Die Lieder, die ich singe, handeln immer nur von dir“, singt, spuckt, kotzt, grummelt, jammert, klagt Pühs. Er erinnert sich an die wenigen schönen Momente und an die ersten Risse, die sich zeigten, vertieft sich in die Missverständnisse. Er diagnostiziert an sich selbst „blanke Nerven“ und fragt sich: „Was hat dir bloß den Kopf so verbaut, dass sich keine Regung hinaus traut.“ Er ist nachtragend und hofft, „dass es ihr da, wo sie gerade ist, nicht so gut gefällt“. Er ritzt „deinen Namen in meinen Schreibtisch“ und bereut, was er ihr alles vergessen hat zu sagen. Ohne die Frau, stellt er fest, ist alles nichts: „Ich löse mich für dich auf“, singt Pühs und erzählt in letzter Konsequenz dann doch, gerade weil er nur von sich erzählt, viel von seiner Generation und einer gewissen Berliner Szene, einem bestimmten Typ Mann und dessen Selbstbezogenheit.
Dass es kaum einen anderen Grund gab für das Ende der Band Herpes als die Liebesbeziehung und die darauf folgende Trennung zweier ihrer Mitglieder, das bekommt man nicht nur in den Texten in aller Ausführlichkeit beschrieben, das kann man auch in der Musik hören.
Zwar hat Pühs für die Aufnahmen von „Input“ eine vollkommen neue Besetzung rekrutiert, deren einziges festes Mitglied neben ihm selbst vorerst sein Mitbewohner geworden ist: Gitarrist Phillip „Mammut“ Lippitz spielt sonst bei der Psychedelic-Band Kadavar den Bass. Trotzdem klingt „Input“ nur unwesentlich anders als „Symptome und Beschwerden“, das letzte Herpes-Album von 2011.
Mal rumpelt der Punk vorwärts, mal torkelt er, als müsste er noch ein halb volles Bier ausbalancieren. Vielleicht sind der Punkrock und der dringliche Gesang von Pühns noch etwas rüder geworden, noch ungehaltener, ohne aber zu kraftmeiern. Das Album klingt immer nach der Anstrengung, die es gekostet hat, diese Lieder dem Schmerz abzuringen. Niemals aber klingen Ecke Schönhauser wie eine Band, die Schmerz in Schönheit verwandeln wollte oder überhaupt könnte. Nein, Ecke Schönhauser sind aus Schmerz geboren, um Schmerz zu bleiben.
■ Ecke Schönhauser: „Input“ (Tapete Records/Indigo), live beim „5 Years Desaster Disko Berlin“-Fest am 24.11. im Badehaus, Revaler Str. 99, 22 Uhr, 7 Euro