: „Strategie Deckel drauf“
RADIO Gaby Mayr hat den Bremer Klinik-Skandal wie einen Hörfunk-Krimi aufgearbeitet
■ 58, arbeitet seit 1980 als freie Journalistin aus Bremen für Hörfunk und Zeitungen.
taz: Der Bremer Keim-Skandal als Radio-Feature. Ist das Thema noch aktuell, Frau Mayr?
Gaby Mayr: Krankenhauskeime sind sehr aktuell, in allen deutschen Kliniken. Der Bremer „Fall“ ist zudem überhaupt noch nicht ausgestanden. Ich habe ein ARD-Feature gemacht, das bundesweit gesendet wird und die Geschichte im Zusammenhang erzählt – und Hintergründe dargestellt, die auch in Bremen nicht so bekannt sind. Ich habe zum Beispiel die Personalkürzungskonzepte des Klinikverbundes thematisiert.
Ist denn Personalknappheit eine Ursache für den Tod der Frühchen?
Bei Hygieneversagen in Kliniken spielt Personalknappheit im Prinzip immer eine Rolle. Allerdings habe ich beim Betriebsratsvorsitzenden des Klinikums gesessen und er hat die Überlastungsanzeigen durchgesehen: Er hatte von der Station 2045 nur fünf vorliegen für das ganze Jahr – das ist nicht viel. Dass es hin und wieder hektisch wird, ist bei solchen Stationen auch normal.
Die Staatsanwaltschaft kann nur gegen Personen ermitteln, doch die Betroffenen schweigen im Untersuchungsausschuss. Haben die sich von Ihnen denn interviewen lassen?
Es haben viele mit mir gesprochen, die darum baten, nicht namentlich genannt zu werden.
Wo liegen die Ursachen für den Bremer Fall?
In Bremen wurde, im Unterschied zu anderen Kliniken, die solche Probleme haben, langsam und fehlerhaft reagiert. In Bremen wurde unter hygienischen Gesichtspunkten geschlampt und verantwortungslos gearbeitet. Und es gab die Strategie, alles unter dem Deckel zu halten.
Warum das?
Ein Aspekt ist der Konkurrenzkampf zwischen dem Klinikum Mitte und der Klinik Links der Weser. Der Chef der Kinderklinik, Hans-Iko Huppertz, hatte gerade gewonnen, die Betreuung der ganz kleinen Frühgeborenen, wo jeder einzelne Fall bis zu 150.000 Euro bringen kann, war bei ihm konzentriert worden. Kurze Zeit später Keime! Zuvor war MRSA aufgetreten.
Es gibt auch die Geschichte einer Mutter, die an einer Keim-Infektion verstorben ist.
Das Kind wächst und gedeiht. Die Mutter ist in der Klinik an den MRSA-Keimen erkrankt und gestorben.
Wenn man so über ein Radio-Feature redet, dann entsteht der Eindruck, es gehe um eine Analyse – wenn man es hört, dann ist es mehr ein Krimi.
Das ist die große Leistung der Regie und der Sprecherinnen und Sprecher, das so zu gestalten, dass man sich das gut anhören kann, ja. Man kann sich nach der Sendung auf der Internetseite im Blog an der Diskussion darüber beteiligen. INTERVIEW: KAWE
„Die Spur der Keime“ im Nordwestradio: Sonntag, 9.05 Uhr und Mittwoch, 28. 11., 19.05 Uhr. Auf NDR Info: Sonntag, 11.05 Uhr. Außerdem als Podcast unter www.radiofeature.ARD.de