: Bremen zieht weiter Säcke über Köpfe
Einsatz Spuckschutzhauben aus Baumwolle sollen Bremer Polizisten davor schützen, bespuckt zu werden. Polizeigewerkschaft wertet die Methode als Erfolg, auch wenn sie die Angreifer aggressiv macht. Die Linke will Respektlosigkeit gegen Beamte anders bekämpfen
Aus bremen Vanessa Reiber
45 Mal wurde in Bremen spuckenden Angreifern im vergangenen Jahr in Bremen ein dünner Baumwollsack über den Kopf gezogen. Diese Haube mit dem offiziellen Namen „Pol-i-Veil weiß“ soll Polizeibeamte seit 2015 vor Spuck- und Beißattacken schützen – und die Polizei bewertet die Methode „Sack über den Kopf“ nun als Erfolg. Das geht aus einem Evaluationsbericht der Polizei hervor, der gestern in der Bremer Deputation für Inneres vorgestellt wurde. In allen Einsätzen konnten „bereits begonnene Spuckattacken gestoppt und von Betroffenen angedrohte Spuckattacken verhindert werden“, heißt es in dem Bericht.
Dass sich diejenigen, denen der Sack übergezogen wurde, vehement wehrten und weiter eine hohe Gewaltbereitschaft zeigten, wird im Bericht zwar aufgeführt, jedoch nicht bewertet. In 33 Fällen griffen die Festgesetzten die Beamten tätlich an. In vier Fällen erlitten Einsatzkräfte Prellungen an Armen und Beinen. Ein Beamter musste wegen eines verstauchten Handgelenks im Krankenhaus behandelt werden. Einmal wurde ein Polizist vor dem Einsatz der Spuckschutzhaube von Speichel im Auge getroffen.
Trotzdem bewertet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) den Einsatz der weißen Hauben als gut und bewährt. „Die Haube ist ein niederschwelliges Einsatzmittel, das schnell eingesetzt werden kann und Spuckattacken erfolgreich verhindert“, sagt Jochen Kopelke, Landesvorsitzender der Bremer GdP.
Horst Wesemann, stellvertretender Vorsitzender der Innendeputation (Linke) ist mit dem Ergebnis der Evaluation der Polizei allerdings nicht zufrieden. „Kein Mensch will eine Tüte über dem Kopf haben“, sagt Wesemann. Er habe schon geahnt, dass die Betroffenen vehement Widerstand leisten würden. „Selbstverständlich haben die Beamten Anspruch auf eine respektvolle Behandlung, die Spuckschutzhaube ist aber keine gute Option“, so Wesemann. Das Einsatzmittel sei nur eine technokratische Lösung. Es müsse überlegt werden, wie die Respektlosigkeit gegenüber der Polizei auf anderen Wegen bekämpft werden könne.
GdP-Mann Kopelke dagegen sieht trotz der Gewaltbereitschaft kein höhere Risiko für die Beamten. Er verweist auf die sinkende Zahl der Einsätze, in denen die Haube verwendet wird. In einer Testphase von Oktober 2014 bis September 2015 hat die Bremer Polizei den Spuckschutz 60 Mal eingesetzt. 2015 wurde er in 56 Fällen verwendet. „Es wird weniger gespuckt, weil die Menschen wissen, dass die Polizei das Einsatzmittel einsetzen darf“, sagt Kopelke.
Der Spuckschutz ist schon lange ein Thema in Bremen. Bereits 2012 hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) angekündigt, dass Spuckschutze für PolizistInnen getestet werden sollen. Damit gab er dem Druck von der GdP und CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinnners statt, die damals beklagten, dass die PolizistInnen in Bremen immer häufiger bespuckt werden. Damals scheiterte das Vorhaben allerdings, weil die Innenbehörde kein passendes Haubenmodell finden konnte.
Horst Wesemann (Linke), stellvertretender Vorsitzender der Bremer Innendeputation
Eine Art umgekehrte Kapuze und Säcke, die an Bilder der Gefangenen in Guantanamo erinnerten, wurden damals fraktionsübergreifend abgelehnt. Erst 2014 kam dann das Modell „Pol-i-Veil weiß“ auf den Markt und die Bremer Polizei wurde prompt mit den weißen Baumwollhauben ausgestattet.
Damals wurde jedoch versäumt, alle Mitglieder des Innenausschusses vorab über den Testlauf zu informieren. Björn Fecker (Grüne) und Sükrü Senkal (SPD) wussten 2014 nur, dass nach Alternativen für eine Haube gesucht wurde.
Wie zu Beginn der Debatte 2012 ist der Ausschuss-Vorsitzende Wilhelm Hinners auch heute vom Nutzen der Haube überzeugt. Er betonte gestern, dass die Schutzhaube ein wirksames Instrument sei, um Polizisten vor Infektionskrankheiten zu schützen, die über Speichel übertragen werden.
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