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Archiv-Artikel

Spontane Besetzung der Bilder

COLLAGEN Die Abbildungen dieser Seiten entnahmen wir dem Band „No More Bullshit“ des Occupy-Vordenkers Kalle Lasn. Das Buch ist ein Manifest und eine Leistungsschau der konsumkritischen Bewegung in den USA

Von DRK

Frühere soziale Bewegungen hätten „Reader“ dazu gesagt und das Ganze eher als Loseblattsammlung denn als schön gebundenes, aufwendig produziertes Hochglanzbuch erwartet. Kalle Lasn, der 2011 die Besetzung der Wall Street in Manhattan organisierte, aus der dann sehr schnell die Occupy-Bewegung in der ganzen (westlichen) Welt wurde, hat auf 400 Seiten Zitate, Slogans, Collagen, Fotos und ökonomische Aufsätze zusammengefasst, die insgesamt, so der Untertitel, „Das Occupy-Manifest für die 99 Prozent“ ergeben sollen. Zugleich ist dieses Buch eine Art Leistungsschau des konsumkritischen US-amerikanische Magazin Adbusters, das Kalle Lasn herausgibt – und so kann man sich nun, was die Occupy-Bewegung gewesen ist und was sie auch immer noch ist, jetzt von diesem Buch erzählen lassen.

Ihr Antikapitalismus ist das eine, er wird in dem Band von einer Vielzahl einschlägiger Zitate und Analysen unterfüttert, von Autorinnen und Autoren wie Robert Costanza, Timothy Morton, Deborah Campbell, Steve Keen und vielen anderen. Während die „Hey, du“-Ansprache in vielen Kapitelanreißern und Zwischentexten einen, ehrlich gesagt, nach einer Weile nerven kann, bekommt man in den Aufsätzen einen guten Überblick über die gesellschaftlichen Problemlagen in Zeiten der globalen Finanzkrise samt der im Umfeld der Occupy-Bewegung diskutierten Lösungsansätze. Und was genauso wichtig ist – darüber hinaus erfährt man viel über das andere, was diese Bewegung ausmacht: ihre Buntheit und ihren spontaneistischen Geist. „Drehte sich der alte amerikanische Traum um Wohlstand, lebt der neue vielleicht von Spontaneität“, schreibt Kalle Lasn als Epilog des Bandes. Als ein modernisiertes Sponti-Manifest kann das ganze Buch gelesen werden. Manchmal menschelt es darin allerdings zu arg.

Ein eigenständiger Bestandteil sind die Fotografien und künstlerischen Arbeiten, die in „No More Bullshit“ enthalten sind; wir haben diese literataz mit einer Auswahl aus ihnen bebildert. Den Occupy-Organisatoren im amerikanischen Adbusters-Umfeld ist klar, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen immer auch über Bilder geführt werden müssen; wie klar ihnen das ist, sieht man an dem hohen Bildanteil in diesem Band. Der Gefahr, dass die Bilder nur zur simplen Illustration der eigenen Thesen verwendet werden, können sie dabei nicht durchgehend entgehen.

Aber viele der in dem Band gezeigten Arbeiten gewinnen ein Eigenleben und eine großartige Suggestivität über die unmittelbare politische Bedeutungsebene hinaus. Da wird die Absurdität einer 17-spurigen Autobahn mit einer darübergelegten Kitschpostkarte kenntlich gemacht; da wird der kühle Schrecken einer entfremdeten Warenwelt in einer komplexen Aufnahme eines Tankstelleneinkaufs eingefangen. Auch die Bilder gelingt es der Occupy-Bewegung hier in den besten Arbeiten dieses Bandes zu besetzen. DRK

Kalle Lasn: „No More Bullshit“. Übers. von Liebl u. Stefanidis. Riemann, München 2012, 400 S., 29,99 Euro