Der angekündigte Abgang

Henning Scherf schickte Parteichef Carsten Sieling vor, um seinen Rücktritt zu verkünden. Aber diesmal war die SPD die Erste, die von seinen Plänen erfuhr

Bremen taz ■ Die Nachricht will er lieber nicht selbst überbringen. Das soll Carsten Sieling machen. Donnerstagabend, Landesparteitag der Bremer SPD. Am Morgen, hebt der Parteichef an, sei er unterrichtet worden: „Henning Scherf tritt zurück.“

Andächtige Stille. Die Strandlust in Vegesack ist bis zum letzten Platz gefüllt. Niemand regt sich. Kein Wort mehr vom Motto des Parteitages: „Mitmachen, Mitreden, Mitgestalten.“ „Schockstarre“ wird das später einer nennen.

Endlich. Der Gestalter selbst löst sich aus dem Publikum, betritt die Bühne. „Ich wollte die Nachricht bei euch als erste abliefern“, beginnt Scherf seine Rede. Beifälliges Nicken der GenossInnen. Das war nicht immer so. Ein kurzer Verweis auf das „blöde Radio-Interview“ aus dem Eis genügt. Lange habe er über den richtigen Zeitpunkt nachgedacht, referiert er – um endlich den „wahren Grund“ nachzuschieben, wie er sagt, nicht ohne auf seine Frau Luise zu verweisen: „Ich werde in vier Wochen 67 Jahre alt.“

Dann muss die Gewerkschaft als Begründung herhalten. Deren alte Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ist jetzt auch Scherfs Credo. „Ich will nicht mit den Füßen zuerst aus dem Rathaus getragen werden.“ Ende der Debatte.

Die GenossInnen erfüllen den Raum mit minutenlangen stehenden Ovationen. Sie reagieren gefasst, auch Tränen bleiben aus. „Macht keinen Schmalz um mich“, hat Scherf im vorhinein seinen Parteichef gebeten. Der hält sich dran, redet nur von „Schreck“ und „Überraschung“. Aber rote Rosen müssen jetzt schon sein. Eine letzte Geste, dann tritt Scherf von der Bühne ab.

Die beiden Vorgänger Hans Koschnick und Klaus Wedemeier gehören zu den Ersten, denen Scherf in gewohnter Manier um den Hals fällt. Die Partei schweigt wieder. „Keine Wortmeldungen“, konstatiert das Präsidium. Jens Böhrnsen ist still. Willi Lemke auch. Jan Zier