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der rote faden Nicht immer einfach, Relevantes von Störendem zu trennen

nächste wocheRobert Misik Foto: Stefan Boness

durch die woche mit

Meike Laaff

Mr Trump

Trumps Bademantel. Trump, der alle negativen Meinungsumfragen per Twitter zum Fake erklärt und den Richter beschimpft, der den Einreisestopp für Menschen aus diversen Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung ausgesetzt hat. Ein Präsident, der eine Kaufhauskette beschimpft, weil die unfairerweise die Kreationen seiner Tochter nicht mehr vertreiben will. Es war schon mal einfacher, beim schnellen Scannen der Nachrichten Relevantes vom Störgeräusch zu scheiden.

Denn das zu erzeugen, darauf verstehen sich Trump und die Seinen wirklich meisterhaft. Es erfordert Konzentration, unter all diesem gossippolitischen Grind hervorzuwühlen, was eigentlich wirklich passiert. Vielleicht sogar außerhalb der USA. Nicht unter „ferner liefen“ zu verbuchen, was denn jetzt genau im AKW Flamanville Phase ist oder was hinter dem plötzlichen Tod einer weiteren Zeugin steckt, die demnächst über den NSU aussagen sollte.

Schnell durch die Social-­Media-Feeds geflippt, und schon wieder ist dort alles voll mit – konzentrieren Sie sich! Der slowenische Entertainmentphilosoph Slavoj Žižek wies in einem Interview mit einem US-Onlinemagazin kürzlich darauf hin, wie schrecklich schief die Dinge laufen, wenn sich die vereinte Linksliberale einfach nur lustig über Trump macht: Wir lachen, aber Trump gewinnt.

Heimatschutzministerium

Keine taufrische Analyse. Aber eine, die man sich kaum häufig genug ins Gedächtnis rufen kann angesichts der Honigtöpfe, die Trumps Administration überall aufstellt. So rumort der Heimatschutzminister zum Beispiel weiter, dass derzeit geprüft werde, ob man bei der Einreise in die USA nicht einfach mal Passwörter von Face­book und anderen Konten abfragen könne. Plus, welche Homepages der oder die Einreisewillige denn so besuche. Keine Auskunft, keine Einreise. Was die sich denn vorstellen, wie bekloppt schon allein die Frage nach den Homepages ist – vor einiger Zeit hätte man sich einfach plain über solche Ankündigungen lustig gemacht. Über die Internetausdruckdeppen in der Regierung: keine Ahnung von den Netzen, aber sie regulieren und regieren wollen.

In letzter Zeit ist allerdings zunehmend klar geworden: Hinter Quatschforderungen muss nicht unbedingt Unkenntnis stehen. Der Wille zur wohlkalkulierten Störung oder Sabotage genügt. Oder halt der dazu, noch ein bisschen Störgeräusch hinzuzufügen.

Selfie mit Merkel

Interessante Bekenntnisse zur selbst erklärten Beschränktheit eines Internetgiganten waren in dieser Woche auch aus Würzburg zu hören. Dort nämlich machten die Facebook-Anwälte vor Gericht den sterbenden Schwan: Milliarden Inhalte, die auf Facebook hochgeladen werden, nach nicht rechtmäßigem Zeug zu durchsuchen, das könne das Unternehmen nicht. Weil man „keine Wundermaschine“ hätte. Dort, in Würzburg, ging es um die grundsätzliche Frage, inwiefern Facebook sich um das Aufspüren poten­ziell illegaler Inhalte auf den eigenen Seiten selbst kümmern müsse. Geklagt hatte ein 19-jähriger Syrer, der nach einem populär gewordenen Selfie mit Angela Merkel immer wieder verunglimpft und fälschlicherweise mit Terrroranschlägen in Verbindung gebracht wurde. Dass es diesen Prozess zu Fragen der Verleumdung in dem sozialen Netzwerk überhaupt gibt, ist schon bemerkenswert.

Digitalisierung

Bemerkenswert ist allerdings auch, als wie technisch unbedarft diverse Medien den Richter des Prozesses beschreiben: einen Mann, der sich erst einmal erklären lässt, was es bedeutet, wenn ein Beitrag 600-mal auf Facebook geteilt wurde. Und der freimütig einräumt, man habe den Nachteil, dass die gesamte Kammer nicht auf Facebook sei. Auf dieser Grundlage zu verhandeln ist natürlich – äh, sportlich.

Was einmal mehr auf ein grundsätzliches Problem verweist. Die Auslegung rechtlicher Fragen, was auf ihren Seiten angezeigt wird, nicht Plattformen wie Facebook zu überlassen ist zwar absolut richtig. Doch wenn der Rechtsstaat das tun soll, benötigt er dafür nicht nur ausreichend Personal. Sondern auch solches, dem die technische Expertise nicht fehlt. Denn in diesem Punkt ist das Gericht in Würzburg mit Sicherheit kein Einzelfall.

Ein Problem, das sich mit der Zeit von selbst erledigt? Bestimmt. Nur – ebenso wie in der Verwaltung, in Schulen und allen anderen öffentlichen Ämtern, an denen die Digitalisierung der Gesellschaft nicht spurlos vorbeigeht und auch nicht vorbeigehen sollte – wird es zu lange dauern, auf einen Generationenwechsel zu warten. Denn die Digitalisierung vollzieht sich jetzt. Weswegen Weichen jetzt zu stellen, Pro­ble­me jetzt qualifiziert anzugehen sind. Und nicht erst in ein paar Jahren.

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