: Mond mit Paaren
Moritz Rinkes „Café Umberto“ am Thalia in der Gaußstraße bleibt skizzenhaft und geschwätzig
Am Anfang war die Säule. Grün, knallig, ein bisschen wie vom Mars gefallen. Aber nein – das ist ja ein sprechender Automat, der die „Freigesetzten“ im inzwischen ebenfalls menschenfreien Arbeitsamt begrüßt. Bis auf Reste früherer Werktätigkeit leer gefegt ist auch die Bühne in Moritz Rinkes Café Umberto, das jetzt am Thalia in der Gaußstraße Premiere hatte. Und wenn man genau ist, dann wirken auch die drei verzweifelten Paare, die Regisseur Stephan Kimmig über die Bühne taumeln lässt, wie vom Mond gefallen.
Das Scheitern privater Beziehungen an der Arbeitslosigkeit eines oder beider Partner ist Thema der Skizzen, aus denen Rinke sein neues Stück gewoben hat, und es als Fortsetzung von Republik Vineta, jener Komödie über arbeitslose Manager zu bezeichnen, wie der Autor selbst es tut, trifft den Sachverhalt durchaus. Nur dass Rinke in Republik Vineta eine fortlaufende Geschichte spann, wohingegen Café Umberto die Skizze zelebriert und Typen statt Charaktere zeichnet.
Unterfüttert ist das alles von Dialogen im Rinke-typischen journalistischen, geglättet-lifestylehaften Duktus, der mit aus dem Alltag herauskopierten Textbausteinen operiert – etwa in den Dialogen zwischen dem arbeitslosen Professor Anton (Werner Wölbern) und der mittellosen Malerin Paula (Susanne Wolff), die nicht mehr zueinander finden. Auch die Liebe von Sonia (Anna Steffens) und Lukas (Felix Knopp) droht zu scheitern an der Kluft zwischen ihrem Moderatorinnen-Erfolg und seiner Lehrer-Arbeitslosigkeit.
Mit verschütteten Latte Macchiati, umhergeworfenen Bierdosen und einem die kleine Bühne überfordernden Gebrüll boxen sich die Akteure durch das Stück, dessen Ernst Autor und Regisseur an etlichen Stellen selbst unterminieren: Gelächter bricht aus, als sich Kleiderkünstlerin Jule (Doreen Nixdorf) mangels Perspektive erhängen will. „Was soll das denn“, frotzelt Musiker Jaro (Peter Jordan) darob, und sie lässt es dann ja auch. Disharmonisch bleiben hier Thema und Tenor – denn wenn auch Galgen(!)-Humor ein oft kluger Ausweg ist, scheinen sich weder Autor noch Regisseur entschieden zu haben, ob dies nun Rinkes „traurigstes Stück“ sein soll oder nicht: Zu wenig Ernst atmen all die Figuren, zu klamottenartig und mit teils mittelmäßigen Wortspielen, die um des Kunstgriffs willen bemüht werden, garniert ist die Szenerie, wenn etwa Lukas sagt: „Ich gehe nicht nur unter mein Niveau – ich grabe gerade einen Tunnel unter mir hindurch.“
Auch die Konflikte sind unklar gezeichnet: Was genau erwartet die vamp-artige, latent hysterische Paula, die sich pünktlich zur abschließenden Modenschau die Pulsadern aufschneidet und ihren Mann still verlässt, bevor er sich vom Zug überrollen lässt? Was bringt es andererseits ein, das Lamento von Lukas, der sich als Anhängsel seiner erfolgreichen Frau fühlt und einen zum Panzer mutierten Diaprojektor mit sich herumträgt?
Man weiß es nicht; zudem krankt die Inszenierung an einer gewissen, uninteressante Details ausbreitenden Geschwätzigkeit, die letztlich nicht weiterführt. Das Absurde ist hier Selbstzweck geworden. Eine arbeitsleere Erde, bevölkert von den letzten depressiven Dinosauriern einer Gattung, die nicht mehr gebraucht wird, ist hier zu erleben, auf der Lösungsansätze gänzlich fehlen. Aussterben wäre vielleicht am billigsten. Petra Schellen
nächste Vorstellungen: 15.+16.10., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße