Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Wir schreiben das Jahr 1926. Eines der aufregendsten Experimente, das Kronos-Projekt, beginnt. Seitdem sind lediglich sieben Tage vergangen – zumindest für die Probanden, die sich in dem mächtigen U-Bahn-Waggon in Zeitlupe durch den Untergrund bewegen. Lediglich 317 Meter sind sie seitdem vorangekommen. Ausgangsthese für den Versuch war, dass Entschleunigung eine Zeitverschiebung mit sich bringt. Nach Roland Bodens Ermittlungen scheint dem auch so zu sein. Letzte Woche wurden die Ergebnisse der Recherche vorgestellt: unter anderem eine ohrenbetäubende Installation mit einem animierten Modell der Entschleunigungsbahn und atemberaubende Erörterungen von Wissenschaftlern. Sehr überzeugend muss man sagen. Sehr. Wer also seismische Verschiebungen oder bläulich leuchtende Schwaden entdeckt, möge bitte Roland Boden kontaktieren. Noch gibt es offene Fragen.

Fragen hinterließen auch Lyonel Feiningers Reisen 1917/18 in den Harz. Bislang gab es nur wenige Berichte aus dieser Schaffensperiode, die deswegen auch als weniger wichtig galt. Erst vor zwei Jahren wurden nahezu vergessene Werke aus dem Archiv der Nationalgalerie geborgen. Achim Moeller von Moeller Fine Art ist Experte für die Kunst Feiningers und hat mit der Lyonel Feininger Galerie in Quedlinburg eine Ausstellung zusammengetragen, die die Zeit markiert, in der sich Feininger erstmalig mit Holzdruck beschäftigte. Ein Umstand, der ihm 1919 als erstem bildenden Künstler eine Berufung ans Bauhaus einbrachte. Nahezu abstrakt und gleichzeitig detailreich schuf er Zeichnungen und Drucke, die anhand von Tannenwipfeln gleich Blitzeinschlägen oder kubistischen Felsformationen und Häuserstudien eine Landschaft jenseits romantisch verklärten Taumelns und wissenschaftsähnlicher Beobachtungen porträtieren. Sehenswert!

■ Roland Boden: Kronos-Projekt, www.U10-Berlin.de, stetig im Berliner Untergrund in Bewegung ■ Lyonel Feininger: Feininger im Harz, bis 9. Januar, Di–Sa, 11–18 Uhr, Tempelhofer Ufer 11; gleichnamiger Katalog, Kerber Art, 25 €