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Archiv-Artikel

Die Kraft der Irritation

AUSSTELLUNG Die Kunsthalle zeigt zehn Werke, die für den Kunstpreis Böttcherstraße nominiert waren. Gewonnen hat eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Installation

Die Idee ist nicht ganz neu, sagt Weserburg-Direktor Carsten Ahrens – aber „großartig“

VON JAN ZIER

Am Anfang ist es nur eine Irritation. Du nimmst sie irgendwie am Rande wahr, während du durch die Kunsthalle wandelst. Ein dezenter Hinweis nur: Raucher? Bitte hier entlang! Wie, denkst du und runzelst die Stirn, rauchen, also, im Museum? Fehlt da nicht, ich meine, müsste das nicht, das ist doch – ähm: streng verboten, oder?

Dann kommst du nach oben, in die große Mittelhalle, wo die Liebermanns, Slevogts und Corinths der Kunsthalle hängen. Impressionisten in Öl, allesamt mit güldenen, verschnörkelten Rahmen drumherum, und Publikum, das gemessen von Bild zu Bild schreitet, etwas ehrfürchtig, bisweilen die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Hier steht er – du kannst ihn nicht ignorieren – und alles erschließt sich dir auf Anhieb, wie selten sonst bei zeitgenössischer Kunst. Da also ist er: der gläserne Raucherraum der Kunsthalle. Eine handelsübliche Kabine, und, ja, sie ist richtig zum Benutzen gedacht, aber zugleich eben eine wunderbare Installation: „Smoking in the Museum“.

Daniel Knorr bekam für dieses Kunstwerk jetzt den renommierten Kunstpreis der Böttcherstraße und damit auch 30.000 Euro. Mit dem seit 1985 alle zwei Jahre vergebenen Preis sollen jene ausgezeichnet werden, „die noch nicht eine Würdigung solcher Art erfahren haben, wie sie der Qualität ihres Schaffens entspricht“. Zehn KünstlerInnen waren insgesamt nominiert, jeweils von hochrangigen Ausstellungsmachern und Kuratoren, in Knorrs Fall war das Adam Szymczyk, der Direktor der Kunsthalle Basel. In seinem Haus installierte Knorr unter dem Titel „Validate Me“ 2009 einen permanenten Besucherzähler. Vier Jahre zuvor vertrat Knorr, 1968 in Bukarest geboren, den rumänischen Pavillon auf der Venedig-Biennale. Mit einem „Anti-Konzept“: Er ließ den Ausstellungsraum leer, sichtbar waren nur Spuren vergangener Nutzung. „European Influenza“ nannte er das – 2007 trat Rumänien der EU bei. Und in Berlin installierte er mal ein Fahnenfries auf dem Dach der Neuen Nationalgalerie, mit den 58 Fahnen aller in Berlin ansässigen studentischen Burschenschaften.

„Smoking in the Museum“ thematisiere „ein Tabu, das, indem es scheinbar gebrochen, in Wahrheit aufrecht erhalten wird“, schrieb die Jury zur Begründung. Eine „lapidare Setzung“. Aber auch einmal mehr eine „produktiv irritierende Form“ für eine gesellschaftliche Frage. Knorr selbst sagt, er habe mit dem Preis „nicht gerechnet“. Und Christoph Grunenberg, der Direktor der Kunsthalle, hätte ihn offen gestanden lieber einem anderen gegeben: Er hat mit Abel Auer einen Maler für den Preis nominiert, einen, der grellbunte Visionen seiner Traumwelten zeigt, obsessiv, aggressiv. Sie wirken ein bisschen wie von einem Kind gemalt. Und sind doch manchmal am Rande des Erträglichen und Kitschigen.

Einer der ersten, die die Raucherkabine auch wirklich benutzt haben, war übrigens Weserburg-Direktor Carsten Ahrens – der sie für sein Haus auch mal ausleihen will, sollte sie die Kunsthalle nun wirklich ankaufen. „Großartig“ findet Ahrens die Installation, auch wenn die Idee „einfach“ und auch nicht ganz neu sei. „Sehr merkwürdig“ sei das Gefühl in Knorrs Werk – „man wird sofort zum Exponat“, sagt Ahrens. Und dass Knorr als „intelligenter Interventionskünstler“ ein verdienter Preisträger sei. Unter jenen zehn Werken, die in dieser Ausstellung vertreten sind, ragt „Smoking in the Museum“ jedenfalls sehr klar und deutlich heraus.

Eine klare Haltung in der Debatte um den Nichtraucherschutz will Knorr, der seit ein paar Jahren in Berlin lebt, übrigens nicht einnehmen. Ihm geht es eher ums bio-politisch Grundsätzliche, darum, „die Beziehung zwischen dem Staat und seinen Bürgern offenzulegen und die Staatsgewalt zu hinterfragen“, sagt Knorr. Er rauche selbst auch nicht. Nicht mehr, aus Kostengründen, wie er sagt. Die Kunst, die er produziert, ist eben nicht recht für deren Markt geeignet.

■ bis 16. Dezember