In absurden Miniröcken

KINO Das Terrain zwischen Lachen und Weinen: Französische Filmwoche mit „Camille redouble“

Noémie Lvovsky ist eine Expertin für die Grauzone zwischen Komödie und Tragödie. Als Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin wirkt die Französin seit den 90er Jahren an Filmen mit, die das Terrain zwischen Lachen und Weinen erkunden. Sie blickt auf Glück und Unglück des Alltags, besonders auf die Schwierigkeiten der Liebe. Und weil sie es subtil und zärtlich tut, gelingt es ihren Filmen auf beeindruckende Weise, eine Landkarte der Gefühle zu zeichnen, anstatt Klischees zu verfallen.

Jüngstes Beispiel für diese Begabung ist „Camille redouble“ („Camille bleibt sitzen“), ein jetzt im Rahmen der Französischen Filmwoche zu sehender Film, der sich eines so einfachen wie smarten Tricks bedient. Nach einer Ohnmacht in der Silvesternacht erwacht die Protagonistin Camille (von Noémie Lvovsky selbst gespielt) in einem Krankenbett. Sie sieht zwar aus, wie wir sie in den ersten Szenen des Films kennengelernt haben: Sie ist eine Frau Mitte 40, etwas derangiert, denn ihr Ehemann hat sie gerade einer Jüngeren wegen verlassen. Doch die Krankenschwester spricht mit ihr wie mit einer Jugendlichen, wenn sie sie wegen des exzessiven Trinkens schilt. Und ihre Eltern holen sie tadelnden Blickes ab, obwohl wir doch in den ersten Szenen erfahren haben, dass ebendiese Eltern schon vor längerer Zeit verstorben sind.

Tragikomische Effekte

Des Rätsels Lösung: „Camille redouble“ ist eine Würdigung von „Peggy Sue Got Married“ von Francis Ford Coppola. Hier wie dort begibt sich eine Frau Mitte 40 unversehens auf Zeitreise. Sie wird in ihre Schulzeit zurückversetzt, ohne dabei die äußere Erscheinung zu verändern. Dennoch werden beide Frauen von allen übrigen Figuren so behandelt, als wären sie die Teenager, die sie schon lange nicht mehr sind. Camille drückt zwar wieder die Schulbank, sie steckt in absurden 80er-Jahre-Miniröcken und -Leggings. Aber ihr Bewusstsein und ihr Aussehen sind das der 45 Jahre alten Frau.

Das zeitigt allerlei tragikomische Effekte, etwa dann, wenn Camille ihrem späteren Ehemann als jungem Mann begegnet und versucht, sich seinen Avancen zu entziehen, da sie ja weiß, wie kläglich es ausgehen wird. Oder dort, wo sie ihren Eltern, von denen sie weiß, dass sie sterben werden, ihre Liebe zu versichern versucht.

„Camille redouble“ ist eine ebenso leichtfüßige wie melancholische Reflexion über das Verstreichen der Zeit und die Wunden, die sie schlägt, und es ist ein Film, der den Erfahrungshorizont und die Subjektivität einer Frau Mitte vierzig auf beeindruckende Weise auszuloten versteht. Damit mag Noémie Lvovsky die Filmkunst nicht neu erfinden, aber das ändert nichts an dem Vergnügen, das es bereitet, sich auf „Camille redouble“ einzulassen. CRISTINA NORD

■ „Camille redouble“ von Noémie Lvovsky am 30. 11. im Cinema Paris, am 1. 12. im FaF und am 2. 12. im Rollberg-Kino, jeweils 20.30 Uhr. Im Rahmen der Französischen Filmwoche (29. 11.–5. 12.). Programm: www.franzoesische-filmwoche.de