Fraktionen bedrängen lahmen Senat

KOALITION Die Fraktionschefs von SPD und CDU wollen das umstrittene Liegenschaftskonzept ins Parlament holen. Der CDU-Fraktionschef verspricht: Man werde schneller Ergebnisse liefern als die Senatoren

„Jährlich schmeißen wir 2,3 Milliarden Euro für Zinszahlungen aus dem Fenster“

RAED SALEH, SPD-FRAKTIONSCHEF

Die Fraktionschefs der rot-schwarzen Regierungskoalition im Abgeordnetenhaus haben indirekt den Streit des Senats über die künftige Liegenschaftspolitik kritisiert. Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU) kündigten an, das Thema im Parlament zu bearbeiten. „Seien Sie sicher: Wir werden da schneller sein, als es im Senat ging mit den Ergebnissen“, sagte Graf am Mittwoch vor Journalisten. Dabei kündigten beide auch an, künftige Haushaltsüberschüsse zur Schuldentilgung zu nutzen. Der grüne Finanzexperte Jochen Esser hatte solchen Bemühungen angesichts der Höhe von 63 Milliarden Euro jüngst nur kosmetischen Effekt zugeschrieben.

Einen Tag nach den beiden Frontmännern von Rot-Schwarz, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator und CDU-Chef Frank Henkel, zogen erwartungsgemäß auch die Fraktionschef eine positive Bilanz des ersten Jahres der Koalition. Angesichts der fortwährenden Unstimmigkeiten im Senat über das zentrale Thema Liegenschaftspolitik konnten Saleh und Graf aber den schwelenden Konflikt zwischen Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nicht unberührt lassen.

Der Senat hat zwar vor zwei Monaten ein Konzept beschlossen, das darauf beruht, landeseigenen Immobilien – Häuser und Grundstücke – nicht grundsätzlich nach höchstem Gebot zu verkaufen, sondern auch nach dem Nutzungskonzept zu fragen. Die Auslegung dieses Konzepts ist aber umstritten. Angeblich können Nußbaum und Müller gar nicht mehr miteinander reden.

Befragt nach der Performance des Senats, zog CDU-Fraktionschef Graf einen Vergleich mit dem früheren Bewertungssystem im Eiskunstlaufen: „Bei der A-Note“ – die für den technischen Wert, also die Sacharbeit – „wäre es eine gute Note, bei der B-Note“ – also dem künstlerischen Ausdruck– „gibt es noch Potenzial nach oben“, sagte Graf. Diese Einschätzung wiegt umso schwerer, weil sie nicht von einem ausgesprochenen Vertreter der Abteilung Attacke kommt, sondern aus dem Mund eines fast immer freundlich-vorsichtig formulierenden und verbindlich auftreten Politikers.

Sein SPD-Kollege Saleh als Parteigänger der betroffenen Senatoren wagte sich etwas weniger weit vor und verwies auf den Regierenden Bürgermeister. Wowereit hatte am Dienstag angekündigt, den Nußbaum/Müller-Konflikt notfalls in Chefgesprächen zu klären. „Und über Weihnachten gibt es ja viel Zeit für solch ein Chefgespräch unterm Weihnachtsbaum“, sagte Saleh.

Die Haushaltssanierung ist für beide Fraktionschefs nicht beendet, wenn möglicherweise schon im kommenden Jahr das Land Berlin seine Ausgaben ohne neue Kredite stemmen kann. Mögliche künftige Überschüsse, erwartbar ab 2014, sollen nicht dazu dienen, bislang nicht mögliche Projekte zu bezahlen, sondern in die Tilgung der rund 63 Milliarden – eine 63 mit neun Nullen – Euro Schulden gehen. „Natürlich fangen wir an zu tilgen“, sagte Graf auf taz-Nachfrage.

Saleh sieht das Land vor allem durch die immensen Zinszahlungen unter Druck: „Es sind 2,3 Milliarden Euro, die wir jährlich dafür aus dem Fenster schmeißen“. Davon müsse man runter. Der Grünen-Haushaltspolitiker Esser hatte sich bei einer Betrachtung der Landesfinanzen unlängst unentschieden zum Thema Tilgung gezeigt, weil man nicht auf die Schnelle so viel zurückzahlen könne, dass das die Zinszahlungen spürbar senkt: „Finanziell gesehen ist das eher kosmetischer Art.“ STEFAN ALBERTI