: Eineiige Wellenreiterinnen unter sich
Gut, dass Daida und Iballa Ruano Moreno als Zwillingsschwestern auf die Welt gekommen sind – sonst wäre es bei den wellenreitenden Damen eintönig wie bei den Herren mit Dauerweltmeister Björn Dunkerbeck. Ebenbürtige Konkurrenz erfährt Weltmeisterin Daida nur innerhalb der Familie
Den ersten Wettbewerb unter ehrgeizigen Schwestern entschied Daida Ruano Moreno für sich. Am 1. Dezember 1977 erblickte sie im Krankenhaus von Las Palmas, der Hauptstadt Gran Canarias, zuerst das Licht der Welt, wenige Minuten später kam ihre Zwillingsschwester Iballa nach. Symbolik liegt darin. Als sich die beiden sportlich aktiven Spanierinnen 1997 dazu entschlossen, die Frauen-Weltrangliste im Windsurfen von der Spitze an abwärts neu festlegen zu wollen, hat sich seitdem an der familieninternen Rangordnung wenig geändert. Zuerst kommt Daida, nur knapp dahinter, aber eben dahinter, Iballa – so läuft das seit Jahren schon.
Iballa – Leben als Zweite
Gemeinsam sind die beiden Glamourgirls von Gran Canaria, die mit ihrem Sieger-Image für die Randsportart Windsurfen einen Glücksfall verkörpern, kaum zu schlagen. Allenfalls der Schweizerin Karin Jaggi gelingt es hin und wieder, die Phalanx der Moreno-Zwillinge im Wellenreiten zu durchbrechen. Dauerhaft scheint das nicht möglich zu sein. Vor Sylt, bei der letzten Weltcup-Veranstaltung dieser Saison, gewann Daida Moreno ihren sechsten WM-Titel im Wellenreiten. Zu ihrer Trophäensammlung zählen noch drei gewonnene Weltmeisterschaften im Freestyle. Sie gewann gestern kampflos – das Wellenreiten wurde wegen zu schwacher Winde abgesagt. Ihre Schwester Iballa, die zwei WM-Titel im Wellenreiten auf sich vereinigt, schloss die Jahreswertung der internationalen Windsurfing-Organisation PWA (Professional Windsurfers Organisation) als Zweite ab, wieder einmal.
„Natürlich gebe ich mein Bestes, um meine Schwester zu schlagen. Aber das Wichtigste ist doch, dass der Titel in der Familie bleibt“, pflegt Iballa Moreno in diesen Momenten zu sagen. Neid sei beim Blick auf die größeren Erfolge der Zwillingsschwester nicht im Spiel, beteuert sie. „Daida ist die beste Surferin der Welt. Es ist doch ganz normal, dass ich diese Position auch einmal erreichen will“, sagt Iballa. Ins Plaudern verfällt sie nicht bei diesem Thema.
Dagegen erzählt sie freimütig davon, wie Verletzungen an den Knien und Beinen in den vergangenen fünf Jahren ihrer stetigen sportlichen Entwicklung wiederholt im Wege standen. Ihre Ausführungen wirken wie Erklärungen dafür, dass die Familienwertung der Moreno-Schwestern zementiert zu sein scheint. Schwer sind die Zeiten für sie gewesen, als sie verletzungsbedingt zusehen musste, wie ihre Schwester und die Konkurrenten bei den Weltcup-Veranstaltungen über die Wellen ritten und dabei waghalsige Sprünge und Drehungen in den Himmel malten.
Surfen, radikal
„Jedes Mal, als ich verletzt war, habe ich für einen Moment gedacht, dass es keinen Sinn mehr machen würde. Aber dann sagte ich mir: ,Hey, du hast doch noch so viele Jahre vor dir.' Also habe ich weitergemacht. Wer positiv denkt, erholt sich schneller“, sagt Iballa Moreno. Ihre Schwester untermauerte in der Zwischenzeit mit jedem Erfolg ihre Ausnahmestellung. „Ziel Nummer eins ist es für mich, immer zu gewinnen. Aber natürlich will ich auch Spaß haben, wenn ich auf meinem Brett stehe und über die Wellen reite“, sagt Daida Moreno, die später einmal über sich selbst lesen möchte, sie sei „die radikalste Surferin“ gewesen. Dafür tut sie einiges. Als erste Frau der Welt zeigte sie den Backwind-Jibe, den Volcan oder den Spock – Sprünge, die man bis dahin nur von Männern zu sehen bekam. 2003 startete sie bei einem Weltcup in Pozo Izquierdo, ihrem Heimatrevier vor den Kanarischen Inseln, sogar bei den Männern. Dort war sie allerdings chancenlos.
Debüt auf Sylt
In Pozo Izquierdo, einem kleinen Dorf mit weißen Häusern und einigen Windmühlen im Südosten Gran Canarias, bildeten sich die Moreno-Schwestern in unermüdlichem Training für den Angriff auf die Weltelite selbst aus. 17 Jahre alt waren sie, als sie von der Faszination des Windsurfens erfasst wurden. Sie liehen sich das Brett eines Nachbarn und ließen sich von den Passatwinden, die mit annähernd 50 Knoten in die Bucht wehen, über das Wasser treiben. „Wir hatten Sport in unserem Blut, unsere ganze Familie ist sehr sportlich“, sagt Daida.
1997 vollzogen die Schwestern einen großen Schritt hin zum Profisport. Erstmals nahmen sie an der Weltcup-Tour teil. Die erste Auslandsstation war Sylt. „Wir hatten nicht viel Geld und konnten uns kaum verständigen, da wir noch nicht so gut Englisch sprachen“, sagt Iballa. „Damals waren wir richtig nervös, ängstlich. Wir waren gekommen, um zu lernen. Ich sage mir immer: ,Genieße die Zeit auf dem Wasser, konzentriere dich auf das Windsurfen und du wirst mit jedem Tag ein bisschen besser'“, ergänzt Daida. Beim Windsurfen sei Spaß das Grundprinzip, um überhaupt Erfolg haben zu können. „Es ist die Gesamtheit am Windsurfen, die ich so liebe. Diese Freiheit, dieser Geist, der einen durchströmt, und der direkte Kontakt zu den Gewalten der Natur – das ist es. Und wenn man dann noch mit dem Brett die Geschwindigkeit erhöht, wird man abhängig von diesem Sport“, sagt Daida Moreno.
Populär, fast wie Alonso
Nicht zuletzt dem Erfolg der beiden Zwillinge war es zu verdanken, dass Windsurfen in Spanien in der Gunst der Sportarten in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt hat. Daida und Iballa Moreno gehören zu den Sportstars ihres Landes; bei einer Wahl zum Sportler des Jahres belegten die Schwestern Rang drei. Erster wurde der frisch gekürte Formel 1-Weltmeister Fernando Alonso. „Das war wie eine Revolution“, sagt Daida, und ihre braunen Augen blitzen dabei auf. Das große öffentliche Interesse nehmen beide mittlerweile routiniert auf. Sie hätten eben ein Level erreicht, auf dem es normal sei, dass man in der Öffentlichkeit stehe. Sie genössen das Interesse, stolz mache es sie, schließlich sei ein solcher Erfolg vor acht Jahren bei ihrem ersten Besuch auf Sylt nicht zu erwarten gewesen. „Natürlich träumt man zu Beginn der Karriere davon, irgendwann populär zu sein und erkannt zu werden“, sagt Iballa Moreno. „Der Ruhm kam aber von ganz allein, und wir haben ihn mit offenen Armen empfangen.“ Christian Görtzen