: Viele Bedenken gegen mehr Rechte für die Väter
SORGERECHT Der Gesetzentwurf muss nachgebessert werden, sagen Experten im Deutschen Bundestag
EDITH SCHWAB, VERBAND ALLEINERZIEHENDER MÜTTER UND VÄTER
BERLIN taz | Am Ende ging es relativ sachlich zu bei der Debatte um ein emotional aufgeladenes Thema: Am Mittwoch tagte der Rechtsausschuss des Bundestages zur Frage, wie Väter zu mehr Rechten an ihren Kindern kommen können, wenn sie mit der Mutter nicht verheiratet sind.
Die Bundesregierung hat dazu mit einem Gesetzentwurf Vorgaben gemacht: Künftig kann der Vater einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen, den die Mutter nur dann ablehnen kann, wenn das Kindeswohl eindeutig gefährdet ist. Ihre Einwände muss sie innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes vorbringen.
Das Papier ist umstritten. So begrüßten zwar alle zur Anhörung geladenen ExpertInnen den Vorstoß aus dem Justizministerium, den unterschiedlichen Lebensrealitäten von Eltern einen rechtlichen Rahmen zu geben. Denn bereits ein Drittel aller Kinder wird heute unehelich geboren, Prognosen zufolge könnte es in den kommenden Jahren sogar die Hälfte aller Kinder sein. Zudem leben viele Eltern ohne Trauschein zusammen.
Die Entscheidungsfrist für die Mutter indes lehnten nahezu alle JuristInnen, SoziologInnen und PädagogInnen als zu kurz ab: Der Zeitdruck würde der Mutter unmittelbar nach der Geburt zusätzlichen Stress bereiten, unter solchen Bedingungen sei keine so bedeutende und lebenslange Entscheidung zu treffen. Wolfgang Schwackenberg vom Deutschen Anwaltsverein plädierte dafür, die gemeinsame Sorge grundsätzlich auch wieder rückgängig machen zu können. Das ist bislang nur in Ausnahmefällen möglich. Das neue Gesetz werde „die Justiz zusätzlich belasten“ und nicht, wie vorgesehen, entlasten.
Vätervereine waren zur Anhörung nicht geladen. „Bedarf es noch eines Beweises, dass Väter Eltern zweiter Klasse sind“, sagte Rainer Sonnenberger vom Verein Väteraufbruch für Kinder. Aus Protest versammelten sich Mitglieder auf der Zuschauertribüne und pusteten Seifenblasen in den Saal, die über den Köpfen der RednerInnen zerplatzten. „Frauen wie diesen“, erregte sich ein Mann und zeigte mit dem Finger in den Saal auf Edith Schwab, Präsidentin des Verbandes alleinerziehender Frauen und Männer (VAMV), „ist es zu verdanken, dass Väter keine Rechte haben.“
Für die Anwältin aus Speyer krankt der Gesetzentwurf vor allem an dem „neuen Leitbild“, dass die gemeinsame Sorge „immer das Beste für das Kindeswohl“ sei. Schwab plädierte dafür, dass auch eine „alleinige Sorge weiter möglich sein muss“. Sie machte darauf aufmerksam, dass zwischen zugestandenem Sorgerecht und übernommener Verantwortung mitunter große Lücken klafften. Oder anders gesagt: Manche Väter kämpfen und bekommen zwar das Sorgerecht, üben die damit verbundenen Sorgepflichten aber nicht oder nur unzureichend aus.
Wie sensibel das Thema ist, wird deutlich, als Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Heidelberg seine eigene Bewusstseinswandlung beschreibt. Zuerst sei er eindeutig auf der Seite der Väter gewesen, sagte er. Dann habe er Forschungsberichte gelesen, die ihn zweifeln ließen: Beispielsweise werde Müttern, die vor gewalttätigen Männern in Frauenhäusern flüchten, dort geraten, sich nicht ums Sorgerecht zu streiten, weil das zusätzlich Konfliktpotenzial berge. Solche Empfehlungen seien grundsätzlich anzuzweifeln.
Die Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf war so stark, dass BeobachterInnen davon ausgehen, dass das Papier noch einmal überarbeitet wird. So könnte auch der Termin für die zweite und dritte Lesung im Bundestag, die voraussichtlich für Januar 2013 geplant ist, verschoben werden. Mit der dritten Lesung wird ein Gesetz gewöhnlich vom Bundestag beschlossen.
SIMONE SCHMOLLACK