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Archiv-Artikel

„Liebe auf den ersten Brief“

HASS Die bizarren Abgründe von Leserbriefen an Journalisten mit fremdsprachlichen Namen

Ebru Tașdemir

■ 39, hat in Berlin Publizistik und Turkologie studiert, freie Journalistin und Lehrbeauftragte an der IBA Berlin.

taz: Frau Tașdemir, wie sind Sie auf die Idee gekommen, dem Hass eine Bühne zu geben?

Ebru Tașdemir: Letztlich war es ein Gespräch unter Kolleginnen. Wir hatten uns über fiese Zuschriften unterhalten und irgendwann gesagt: Eigentlich müsste man das mal genau so vor Publikum vorlesen. Dann habe ich per Rundmail andere JournalistInnen gefragt, ob sie Lust hätten solche Zuschriften auf einer Bühne vorzutragen. Und dann gab es spontan die Zusagen von Deniz Yücel von der taz, Mely Kiyak, die für die Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung schreibt und von Yassin Musharbash von der Zeit

der ist gar nicht dabei.

Nein, wir sind auch traurig, dass der nicht konnte: Bremen ist ja unser erstes Gastspiel.

Das war nicht geplant?

Gar nicht. Wir hatten weder mit diesem Echo gerechnet, noch dass es uns so viel Spaß macht: Als die erste Mail vorgetragen war, hatten wir uns alle sozusagen ineinander verliebt. Das war Liebe auf den ersten Brief.

Was spricht sich denn in diesen Briefen aus? Ist das nur eine bizarre Unfähigkeit, sachlich zu bleiben oder echte Fremdenfeindlichkeit?

Zu 80 Prozent Fremdenfeindlichkeit. Es bekommen sicher alle Journalisten merkwürdige Zuschriften. Aber ganz offensichtlich setzt es die Hemmschwelle herab, wenn jemand einen Namen trägt, der auf eine migrantische Herkunft hinweist: Dann wird es einfach sehr schnell persönlich. Es wird dir empfohlen, erst mal richtig Deutsch zu lernen oder du wirst als – sorry – Türkenfotze beschimpft. Wir setzen uns nicht nur aufs Podium, um Leserbriefe vorzutragen, die wir doof finden oder gemein. Das ist eine antirassistische Veranstaltung.

die für dieses Label aber ungewöhnlich lustbetont wirkt?

Ja, es geht darum, über diese Beschimpfungen zu lachen. Was willst du denn sonst damit auch tun? Es ist ja keine Kritik, mit der du etwas anfangen könntest. Deshalb ist es auch sinnvoll, sich damit auf die Bühne zu begeben: Das hat etwas von einer Machtdemonstration, den Hassbriefschreibern zu zeigen: Ich weiß, du wolltest mich verletzen, das ist dir vielleicht auch ein Stück weit gelungen. Aber du kannst mich nicht unterkriegen. Ich kann darüber lachen.

INTERVIEW: BENNO SCHIRRMEISTER

Hate Poetry – Schwankhalle, 19 Uhr