Frauenaufstand mit Teilerfolg

In der neuen Fraktion der Linkspartei gehen die Spitzenjobs zwar an die Männer. Doch 9 der 14 Posten im erweiterten Fraktionsvorstand sind künftig weiblich besetzt. WASG sieht noch Klärungsbedarf bei Zusammenarbeit mit der Linkspartei

BERLIN dpa ■ Gregor Gysi war perplex. „Die Zahl der Männer in der Fraktion spiegelt sich überhaupt nicht im Vorstand wieder“, resümierte der Vorsitzende der neuen Bundestagsfraktion der Linkspartei zum Abschluss der Fraktionsklausur.

In Schmöckwitz im äußersten Südosten Berlins, hatten die Frauen den Aufstand gegen die „großen Vorsitzenden“ geprobt – und damit das Schlimmste abgewendet. Zwar gehen die Spitzenjobs an die Männer. Doch 9 der 14 Posten im erweiterten Fraktionsvorstand sind künftig weiblich besetzt. Wie sich die Fraktion und wie sich Linkspartei und WASG insgesamt arrangieren werden, ist mit diesen Personalentscheidungen aber noch nicht absehbar.

Die beiden bisherigen Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau hatte ebenso wie viele weitere Frauen in der Fraktion gestört, dass die Fraktionsspitze schon im Wahlkampf an Gysi und Oskar Lafontaine vergeben worden war. Wahlkampfleiter Bodo Ramelow sollte das neue Amt des Stellvertreters bekleiden. Und der Einsatz von Parteichef Lothar Bisky beim schwierigen Verhandlungsprozess mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) sollte mit dem Amt des Bundestagsvizepräsidenten gewürdigt werden. Dabei hätte dieser Posten nach Meinung einiger Linksparteilerinnen eigentlich einer Frau zugestanden.

Mit diesem Ansinnen scheiterten sie. Lötzsch unterlag Bisky deutlich mit 15 zu 36 Stimmen beim Griff nach dem repräsentativen Amt des Vizepräsidenten. „Lothar hat das verdient“, gab Gysi die Stimmung der Mehrheit wieder.

Bei der Vergabe anderer Posten waren die Frauen indes erfolgreich. So unterlagen die WASG-Vorstände Klaus Ernst und Axel Troost ihren Konkurrentinnen bei der Wahl zum zweiten ständigen Stellvertreter und zum Stellvertreter für den Arbeitskreis Wirtschaft/Finanzen. Statt der beiden bekannten WASGler wurden die unbekannten Politikerinnen Inge Höger-Neuling (WASG) und Barbara Höll gewählt.

So sei die „sehr interessante Konstellation entstanden, dass Oskar und ich in den Fachbereichen nur Stellvertreterinnen haben“, sagt Gysi am Samstag in Anschluss an die Fraktionsklausur. Ob das auf ewig so bleibe, werde die nächste Wahl in einem Jahr zeigen. Da sich viele in der Fraktion noch gar nicht kennten, habe man die Wahlperiode auf ein Jahr statt der üblichen zwei begrenzt.

Mit 8,7 Prozent und 54 Abgeordneten hatte die Linkspartei einen Wahlerfolg gefeiert. Doch zahlreiche Mitglieder der bunten Truppe sind sich unbekannt. Zudem sieht sich die frühere PDS in der neuen Lage, dass die Ostvertreter mit 23 Abgeordneten gegenüber 31 aus dem Westen in der Minderheit sind. Wie sich Ost und West, Mann und Frau, Linkspartei und WASG zusammenraufen, muss sich noch zeigen. Es wird vor allem von der Harmonie zwischen den beiden als Egomanen geltenden Chefs Lafontaine und Gysi und ihrem Integrationsgeschick abhängen.

Die WASG jedenfalls sieht noch reichlich Klärungsbedarf auf dem Weg zu einem neuen linken Projekt. Das Zusammengehen mit der Linkspartei hat die WASG zwar fest im Blick. Aber, wie Axel Troost am Sonntag nach einem Bundestreffen der WASG-Landesvorstände in Leipzig betonte: „Wir wollen keine Druckveranstaltung.“ Knackpunkte seien etwa die Frage der Regierungsbeteiligung, die parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit sowie die Offenheit gegenüber anderen Gruppierungen. „Man muss sehen, wie man zueinander kommt, es müssen beide springen“, sagte Troost. „Wir müssen uns jetzt als neue Kraft zeigen, auf dem Weg zu einem neuen Projekt.“ Die Wähler hätten der gemeinsamen Formation bei der Bundestagswahl einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Sollte eine Fusion nicht zustande kommen, so Troost, „wäre das ein verheerendes Signal“.

Ob es bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März zu einem gemeinsamen Auftritt von Linkspartei und WASG gibt, sei noch unklar, so Troost weiter. Unabhängig davon aber erwartet er, dass die WASG in Rheinland-Pfalz in den Landtag einziehen wird.

Im Eiltempo von nur vier Monaten haben PDS-Parteichef Bisky und WASG-Vorstand Ernst versucht, zwei Parteien aus völlig unterschiedlichen Kulturen für den gemeinsamen Wahlantritt zusammenzuschweißen. Bisky beschwor die Mitglieder der zehnmal größeren Ex-PDS dabei immer wieder, „Milchmädchenrechnungen über kleinliche inhaltliche Differenzen“ für eine vereinigte Linke hinten anzustellen. Ob das gelingt, ist noch offen.