: Die Kunst der Liebe
ALTERNATIVE ROCK Sich lieben und geliebt werden: „Yo La Tengo“ sind die quintessenzielle Kritikerband. Heute Abend präsentiert das Trio sein neues Album „Popular Songs“
VON ROBERT MATTHIES
Die Liebe, das hat nicht nur Erich Fromm einst vermutet, ist eine Kunst. Sie zu erlernen und auszuüben verlangt Selbstdisziplin, Konzentration, Geduld – und den Glauben an sich und an den anderen. Wer stattdessen Sicherheit will, Distanz und Besitz, macht sich selbst zum Gefangenen.
Ob Ira Kaplan und Georgia Hubley Fromm gelesen haben, ist nicht bekannt. Dass sie in Sachen Liebe eine hohe Kunstfertigkeit an den Tag legen, ist aber ganz offensichtlich. Nicht nur haben die beiden längst glücklich Silberhochzeit gefeiert. Auch in ihrer Band „Yo La Tengo“ halten sie es seit geschlagenen 25 Jahren miteinander aus. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Kaplan und Hubley die Dialektik von Erfüllung und Enttäuschung der Erwartungen genau verstanden haben: niemals in Routinen verfallen.
Und so haben die beiden – nach ein paar mehr oder weniger kurzen musikalischen Liebschaften mit anderen – gemeinsam mit dem Bassisten James McNew, der ihnen nun auch schon seit 1993 die Treue hält, stets Alben veröffentlicht, von denen nicht eines zweimal in denselben Fluss steigt. Jedes aber ein kleines Lieblingsalbum, ein geliebtes Album wird.
Weil man für Liebe nun mal nicht zahlen kann, gilt die Band aus Hoboken bei New York denn auch als die quintessenzielle Kritikerband: Allenthalben Liebeserklärungen, aber der Mainstream-Erfolg und folglich die klingelnde Kasse sind dem Trio mit dem enzyklopädischen Repertoire an Cover-Songs bislang versagt geblieben.
Zahlungsunfähigkeit also gerade aufgrund von Überreichtum. Schon 1986 waren „Yo La Tengo“ vor allem dies: eine Band mit „realem Potenzial“. Das zweite Album von da aus klanglich „ein Quantensprung“, das dritte, „President of Yo La Tengo“, begeisterte die Kritiker mit jenem „mysterioso guitar hook“. Nur kaufen wollte das niemand und Kaplan verlor sogar kurz den Glauben: Als könne ein bei sich getragener Käfer in Bernstein Glück bringen…
Hat er dann vielleicht doch. 1993 jedenfalls war das Jahr der neuen Partnerschaften. Das musizierende Ehepaar traf auf den Produzenten Roger Moutenot: bis heute sind sie unzertrennlich. Und auf James McNew. „Painful“ hieß der Neubeginn, der alles anders machen sollte. Seitdem, erzählt Kaplan, gibt es mehr Selbstvertrauen, mehr Vertrauen zueinander – und einen besseren Umgang mit Dingen, die falsch laufen. Und man machte sich keine Sorgen mehr, wie das nächste Album klingen wird. Die eklektische Kombination aus Folk, Punkrock, Showgazing, langen instrumentalen Krach-Jams und Elektronik wurde schließlich auf „I Can hear the Heart Beating as One“ zu einem ausufernden, facettenreichen Stil amalgamiert. Die Kritiker waren da schon längst „süchtig“ nach „Yo La Tengo“.
Und auch die Fanbasis wuchs und wuchs seitdem beträchtlich, vor allem deren Treue. Auch hier nämlich: keine Routine, stattdessen einzigartige Krach-Orgien, Wunschkonzerte, Geschichtenerzählen, Gimmicks und Auftritte von nicht selten mehr als drei Stunden. Und plötzlich heißt das neue Album sogar „Popular Songs“ und verkauft sich auch ganz gut. Und noch etwas ist diesmal anders: Zu Beginn werden die Erwartungen befriedigt. Und am Ende dann ganz neue geweckt …
■ Do, 19 . 11., 20 Uhr, Markthalle, Klosterwall 11