Glück mit Gästen und Filmen

Hippen empfiehlt: Das 23. internationale Filmfest in Braunschweig überzeugte mit guten Programmen, Gästen und norddeutsch-herzlicher Atmosphäre

Es ist selten, dass man an einem Tag seine fünf bis sechs Filme wegguckt und dabei keine Niete findet

Von Wilfrid Hippen

Mit seinen Gästen muss man Glück haben! Im letzten Jahr wurde der europäische Schauspielerpreis „Die Europa“ an den Eventmuffel Bruno Ganz vergeben, und der ließ die Braunschweiger deutlich spüren, dass dies in seinen Augen eher für sie als für ihn eine Ehre war. Bei der Verleihung im Staatstheater verkündete er auf der Bühne, man solle sich doch etwas beeilen, denn um 22 Uhr müsse er wieder im Hotel sein, weil er seinen Lieblingskrimi im Fernsehen nicht verpassen wolle.

Ganz anders dagegen die erste Preisträgerin überhaupt, Hanna Schygulla, die vor zwei Jahren auf der Bühne bekanntgab, sie würde sich von den 10.000 Euro Preisgeld eine Kamera kaufen, damit ihren ersten Film drehen und diesen dann auch in Braunschweig vorstellen. Und tatsächlich kam sie nun persönlich mit „Alicia Bustamente“, ihrem Filmporträt dieser kubanischen Regisseurin, noch einmal zum Filmfest. Über die Qualität des Werkes lässt sich streiten – oder aus Höflichkeit dann wohl doch besser nicht. Aber die Geste zählt und Hanna Schygulla könnte so etwas wie die Maskottchen-Diva des Festivals werden.

Der diesjährige Preisträger John Hurt ist auch solch ein Glücksfall. Nun ist er zwar solch ein brillanter Schauspieler, dass man nicht genau sagen kann, ob er den perfekten Gast „nur“ gespielt hat. Aber ob nun als Persönlichkeit oder als Kunstfigur (Schauspieler erkennen da wohl selbst oft den Unterschied nicht mehr) war er ein sehr charmanter, geistvoller und bescheidener Engländer, der in den Kinos nach der Vorführung einiger seiner Filme lange mit dem Publikum über diese plauderte und sich wirklich über den Preis zu freuen schien. In gewisser Weise rettete er sogar die feierliche Abschiedsgala, bei der alles ein wenig chaotisch zuging. Da fehlte einer der berühmten Umschläge mit dem Namen eines Gewinners und der hochnervöse Moderator Peter Twiehaus machte einen von diesen unvergesslichen Schnitzern, als er das Publikum zum „Filmfest Cottbus“ begrüßte. Hurt bedankte sich dann auf der Bühne dafür, dass er auch einmal diese Art von „German organisation“ erleben durfte.Ein wenig verrechnet hatten sich die Organisatoren auch, als sie das gesamte Staatsorchester Braunschweig in die Aula einer Oberschule zwängten, wo es live die Musik zu der Edgar Wallace-Verfilmung „Der Zinker“ aus dem Jahr 1931 aufführte. Der Klangkörper war schlicht zu groß für diesen Raum und so war die Musik viel zu laut – manchmal schon an der Schmerzgrenze. Ansonsten war dies ein wohlgeöltes Festival, dem man anmerkte, dass der Festivalleiter Volker Kufahl und sein Team inzwischen eine Routine entwickelt haben, die auf allen Ebenen für eine angenehm unaufgeregte Grundstimmung sorgte. Und auch die Programmauswahl war diesmal überzeugend. Es ist selten, dass man als alter Festivalhase an einem Tag seine fünf bis sechs Filme wegguckt und dabei nicht eine Niete findet. So gab es in allen Reihen Entdeckungen zu machen. So etwa in der internationalen Reihe der französische Spielfilm „Séraphine“, der die wahre Geschichte einer Haushälterin erzählt, die zugleiche eine große Künstlerin ist. Oder der auf französisch gedrehte Film „Lourdes“ der Österreicherin Jessica Haunser, die von der Pilgerreise einer Gelähmten mit Hoffnung auf eine Wunderheilung erzählt.

Mit dem „Universum“ stand dem Festival ein frisch renoviertes Traditionskino der Stadt zur Verfügung und da dessen Betreiber auch gleichzeitig das Filmfest organisieren, gab es einige durchaus schlitzohrige Entscheidungen. So wurde etwa der neue Film von Woody Allen zweimal im kleinsten Saal mit gerade mal 88 Plätzen gespielt, weil er Anfang Dezember auch regulär in diesem Kino laufen wird und möglichst wenige Braunschweiger ihn vorher sehen sollten. Dazu passt dann wieder der Titel des Films: „Whatever works“.