: Studium wird härter
AStA warnt vor „Zulassungs-Katastrophe“ an der Uni: Drastische Absenkung der Härtefallquote versperrt allein Erziehenden und Familien Weg ins Studium. Neue Zulassungsordnung verlängert zugleich die Wartezeiten. GAL stellt Senatsanfrage
von Eva Weikert
Die Sozialberatung des AStA der Universität hat alle Hände voll zu tun: „Wir werden seit zwei Wochen überrannt“, berichtet AStA-Referent Heino Windt. Am 16. September hatte die Uni Zu- und Absagen an die Studienbewerber für das Wintersemester verschickt. Erstmals setzte sie das neue Zulassungsgesetz des CDU-Senats um. Demnach dürfen statt bisher 20 nur noch fünf Prozent der Plätze an Härtefälle vergeben werden – an Bewerber, denen ein Studium außerhalb Hamburgs nicht zuzumuten ist.
Durch Kappung der Quote fielen Familien und allein Erziehende durchs Netz und würden vom Studium „strukturell abgehalten“, rügt Windt. Bei ihm stünden „reihenweise Mütter auf der Matte“, von denen einige vor Gericht gehen wollten. Windt kündigte an, der AStA werde ein halbes Dutzend Klagen unterstützen.
Die niedrigere Quote gilt für alle staatlichen Hamburger Hochschulen. An der Uni wurden in der Vergangenheit als Härtefälle Bewerber unabhängig von Numerus clausus und Wartezeit zugelassen, wenn es gesundheitliche, familiäre, soziale und wirtschaftliche Gründe für den Studienort Hamburg gab. Zuerst profitierten stets schwer kranke Bewerber.
Die alten Kriterien würden theoretisch weiterhin gelten, verspricht Axel Schoeler, Leiter des Studierendenzentrums der Uni. „Weil die Quote aber so abgesenkt wurde, passiert es jetzt fast regelhaft, dass nur noch Menschen aus gesundheitlichen Gründen zum Zuge kommen.“ Insofern habe sich die Situation „gravierend verschlechtert“. Die Wissenschaftsbehörde verweist indes auf andere Bundesländer, wo das Reservoir teilweise sogar kleiner sei, so Sprecherin Sabine Neumann: „Es ist schon verwunderlich, dass nur hier ein deutlich höherer Wert galt.“
Gleichzeitig mit der Härtefallquote hat die Behörde die Quote der Zulassung nach Wartezeit von 40 auf zehn Prozent verringert. 90 Prozent aller Bewerber sollen künftig ein Auswahlverfahren durchlaufen, bei dem neben Abi-Schnitt Einzelnoten, Praxiserfahrungen und berufliches Vorwissen zählen. Die Behörde hält das für gerechter als die Anrechnung von Wartesemestern.
Zum Nachteil der Studierenden ist, dass noch keine Auswahlverfahren, aber bereits die neuen Quoten etabliert sind. Zudem seien wegen des Massenandrangs in den meisten Fächern Auswahltests und -gespräche gar nicht machbar, so Schoeler. Die Uni werde darum eine Vorauswahl anhand der Schulnoten treffen müssen. Für die meisten Bewerber, so Schoeler, „ist das eine Verschlechterung“.
Wie der AStA vorrechnet, muss künftig nahezu jeder Bewerber, der über die Wartezeitquote an die Uni strebt, mindestens fünf Jahre Schlange stehen. Die neue Zulassungspraxis sei „inakzeptabel“. Ohne Spitzenabitur könne eine allein Erziehende an der Uni nicht einmal mehr ein Lehramtsstudium beginnen. Verheirateten ohne Einser-Abi sei ein Studium nur noch möglich, wenn sie in eine andere Stadt zögen – im Zweifel ohne ihren Partner. „Die Zulassungsregeln sind für viele eine soziale Katastrophe“, meint Windt.
Auch die GAL-Opposition ist alarmiert: Bewahrheiteten sich die Warnungen des AStA, müsse die Bürgerschaft das Gesetz ändern und das Reservoir für Härtefälle erhöhen, fordert die Abgeordnete Heike Opitz. Mit einer kleinen Anfrage zur aktuellen Studienplatzvergabe fühlt sie jetzt dem Senat auf den Zahn.