: berliner szenen Wurst gegen Brot
Schöneberger Kaufstreik
Der Mann aß gerade Bratwurst, als er besorgt über die Winterfeldtstraße zeigte. „Das ist der Anfang vom Ende“, sagte er. Dazu muss man wissen: Das samstägliche Bratwurstessen an der nordöstlichen Ecke des Winterfeldtmarktes ist als ökologisch multikulturell gut codiert. Ein Biobauernhof bietet dort seit Urzeiten Schinken- und Lammbratwurst an, mit einem Senf, der in Schöneberg weltberühmt ist. Das passt prima in das Nahrungsangebot rund um den Platz: neben indisch, mexikanisch, kanadisch und chinesisch machen sich die Würste als weiterer Bestandteil im Fast-Food-Schmelztiegel gut.
Auf der anderen Straßenseite aber bahnte sich Unheil an. Es war die Subway-Filiale, auf die der Mann zeigte – neu eröffnet und bedrohlich. Man kennt ja diese Gentrificationmuster. Zuerst retten Hausbesetzer eine Gegend vor Verfall und Abriss. Dann kommen arme Künstler und romantische Studenten. Dann Besserverdienende und Eigentumswohnungen. Und schließlich gesichtslose Shopping- und Sandwichketten. Irgendwann kann man dann in Stadtmagazinen lesen, dass die Gegend zur No-go-Area erklärt ist. Klar, dass der Mann irritiert war, damals, vor einigen Wochen.
Inzwischen darf man allerdings Entwarnung geben. Subway wird den Turn-around nicht schaffen, so viel ist klar geworden. Die Winterfeldtplatzbewohner und ihre Gäste nehmen die Riesenstullen nämlich nicht an. Alles boomt, nur bei Subway geht keiner rein. Hilflos prangt der dynamische Schriftzug über der Eingangstür, und die Werbung für das „Veggie Petty Sandwich“ sieht ganz verloren aus. Gegen den Falafel bei Habibi hat ja noch nicht mal die Biowurst eine Chance. Was man ganz ohne Triumph mal feststellen kann.
DIRK KNIPPHALS