: Ein Hauch von Renaissance
KUNSTFUND Im Kunstmuseum von Taschkent wurde möglicherweise ein echter Veronese entdeckt
Ein Hauch von Renaissance wehte am 27. November durch das noch in der Sowjetunion erbaute staatliche Kunstmuseum von Taschkent. Wie auf YouTube zu sehen, wird in der usbekischen Hauptstadt ein Ölgemälde als ein lang vergessenes Originalwerk des Renaissance Malers Paolo Veronese aus dem 16. Jahrhundert präsentiert.
Das Bild zeigt den vom Kreuz genommen Jesus mit Dornenkrone und durchstochener Seite, umgeben von Männern und Frauen in orientalischen Gewändern. Eine blond gelockte Dame küsst die durchschlagene Hand des Gekreuzigten.
Die Direktorin des Museum in der usbekischen Hauptstadt Wasilja Feisijewa präsentierte den kunsthistorischen Fund im Beisein des Metropoliten und des italienischen Botschafters. Bei der Restaurierung sei der Name des Bilds „Die Beweinung Christi“ aufgetaucht. Die kunstwissenschaftliche Einordnung des Gemäldes durch usbekische Wissenschaftler unterstützen zudem eine im Land durchgeführte Radiokarbon-, Infrarot- und Röntgenuntersuchung.
Eine internationale Expertise steht jedoch noch aus. Nachfragen zur Beweisführung will die Museumsdirektorin am Telefon nicht beantworten. Einreisen in das Land kann der taz-Korrespondent freilich ebenso wenig wie die meisten westlichen Medienvertreter, er erhält kein Visum für das Land, das die Pressefreiheit unterdrückt.
„Ich bin kein Experte und habe nicht über die Echtheit zu urteilen“, sagt Riccardo Manara, der italienische Botschafter, der taz. Er spricht denn auch bei der Präsentation – wie auf YouTube zu sehen – von einer „wahrscheinlichen Arbeit“ des Renaissancekünstlers. Die Dolmetscherin ins Russische übergeht diese diplomatische Feinheit jedoch.
Als Folge einer pikanten Liebesaffäre des russischen Großfürsten Nikolai soll das Gemälde Ende des 19. Jahrhunderts nach Zentralasien gekommen sein. Der jüngere Bruder des 1881 ermordeten Zaren Alexander II. wurde aus Sankt Petersburg nach Taschkent, damalige Hauptstadt des russischen Gouvernements Turkestan, abgeschoben, weil der Spross der Zarenfamilie für ein Geschenk an die begehrte amerikanische Tänzerin Fanny Lir unerlaubt in die mütterliche Schmuckschatulle gegriffen hatte.
In der zentralasiatischen Verbannung wollte der Großfürst die europäische Kultur allerdings nicht missen. Er ließ ein Theater bauen, und er überführte seine sorgfältig zusammengestellte Kunstsammlung nach Taschkent, die dann nach der Oktoberrevolution den Grundstein für das Kunstmuseum in der damaligen usbekischen Sowjetrepublik bildete. Die lang vergessene „Beweinung Christi“ von Paolo Veronese soll nun auch dazu gehören.
MARCUS BENSMANNN