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Archiv-Artikel

Milchproduktion geht auf keine Kuhhaut

Agrarminister beraten über eine Ausweitung der Milchquoten. Noch mehr Überproduktion und Preisverfall drohen

BERLIN taz ■ Den Bauern steht die Milch bis zum Hals. Und es wird immer mehr: Ab heute beraten die Agrarminister der Bundesländer in Bielefeld über die Reform der EU-Milchmarktordnung. Zum 1. April 2006 soll die Milchquote um 1,5 Prozent erhöht werden. Für Deutschland, als weltweit viertgrößten Milchproduzenten, bedeutet dies jährlich 418.000 Tonnen mehr Milch. Den Landwirten droht damit ein weiterer Preisverfall.

Noch mehr Milch angesichts des vorhandenen Überschusses zu produzieren erscheint zunächst widersinnig. Die Ausweitung der Quote wurde jedoch schon vor sechs Jahren von EU-Ländern wie Italien vorangetrieben, die ihren Milchbedarf nicht selbst decken können.

Die zu erwartende Preissenkung trifft vor allem die Milcherzeuger: Schon heute deckt der Literpreis von 24 Cent, den die Bauern erhalten, oft nicht mehr die Herstellungskosten. Das gilt auch für Biobauern, die 32 Cent bekommen. „Überproduktion und Preisverfall treiben jedes Jahr etwa 2 Prozent der Betriebe in den Konkurs“, so Agnes Scharl vom Bauernverband zur taz. Milchbauern, die über die Quote hinaus produzieren, müssen pro Liter 33 Cent Strafe bezahlen.

Die Milchquote wurde 1984 eingeführt, um die Einkommen der Bauern zu stabilisieren und die öffentlichen Haushalte zu schonen. Die Überproduktion von Milch hat man mit dem System aber nie in den Griff bekommen. Die Milchquote gilt deshalb als Auslaufmodell. Ihr droht spätestens 2015 das Aus. Danach soll es der Weltmarkt richten, auf dem die EU schon jetzt ihre Milchüberschüsse loswird: „Das drückt die Weltmarktpreise und beschädigt die Märkte in den Ländern des Südens“, sagt Bernd Voß von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Dort steckt die Milchproduktion oft noch in den Kinderschuhen und wird selbst durch geringe Importe in ihrer Existenz bedroht.

Sarah Kahnert von Germanwatch forderte daher von den Landwirtschaftsministern, die Ausweitung der Milchproduktion nicht zu nutzen. „Die Maßnahme der EU ist völlig widersinnig: der Überfluss an Milch wird weiter verstärkt. Die deutschen Bauern müssen noch mehr um ihre Existenz kämpfen.“ Die Milchpolitik der EU laufe zudem den Zielen der Entwicklungspolitik total zuwider, so Kahnert.

Auf den Beratungen in Bielefeld wird voraussichtlich ein Streit beigelegt: Großerzeuger wollten für sich höhere Quoten gegenüber Kleinbetrieben durchsetzen, damit sie besser für den Weltmarkt aufgestellt sind. Als wahrscheinliche Option gilt nun die Gleichbehandlung aller Milchbetriebe. Über die nächsten drei Jahre soll die Quote für alle um 0,5 Prozent steigen. Diese Erhöhung entspricht allerdings nur der Anpassung an die tatsächliche Überproduktion der vergangenen drei Jahre.

TARIK AHMIA