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Ganz weit raus

STADTFLUCHT „Emanzipation im Wald“ heißt das neue Album der Hamburger Band JaKönigJa. Aber das ist trotz aller Naturmetaphorik wieder alles andere als landläufig

von Robert Matthies

Lernen kann man ja immer wieder irgendwas, von der Natur, diesem eigenwilligen Etwas, in das unsere Städte gebaut sind. Geduld zu haben, unter anderem: Alles braucht seine Zeit, gut Ding will Weile haben. Ganz und gar willkürliches Beispiel: Sonnenblume, braucht drei Monate, bis die in all ihrer Pracht blüht – wenn die Bedingungen stimmen. Aus dem Boden ziehen klappt nicht. Lieber loslassen und warten.

Acht Jahre haben JaKönigJa gebraucht, um ihrem fünften Album „Die Seilschaft der Verflixten“ endlich das sechste folgen zu lassen, in insgesamt 20 Jahren. Aber die Zeit, mit der hat es im Fall der Hamburger Band ohnehin so seine Bewandtnis: So richtig in selbige gepasst hat das gerade zum Quartett angewachsene Projekt um das mittlerweile verheiratete Songschreiberpaar Ebba und Jakobus Durstewitz noch nie. Entschleunigung hieß das Stichwort, lange bevor Entschleunigung cool war, wie man heute sagt, wenn man zeitgemäß klingen möchte. Aber JaKönigJa klingen eher zeitlos.

Damals, Mitte der 1990er, als alle noch vom schrammeligen Diskurspop der „Hamburger Schule“ schwärmten, waren sie schon die Sonderlinge. Manch einer, auch aus dem näheren Umfeld, soll gar die Nase gerümpft haben, weil sie so gar nicht schmutzig klangen, so unpolitisch. Und das nicht mal ironisch meinten.

Einen kleinen Hit unter Eingeweihten hatten sie damals (und haben ihn bis heute), kurz nach der Bandgründung und kurz vorm Sommer 1995: „Die Stadt im Sommer“ hieß der. Und Städter*innen, das waren sie durch und durch, die Mitglieder dieses lange als „Hausband des Golden Pudel Clubs“ gehandelten Musik- und Kunstzusammenhangs.

Aber verorten, auch das konnte man sie nie so wirklich: Was ist das für eine Musik, wo kommt die her, wo gehört die hin? Wer sie in eine Schublade zu stecken versucht, macht sich lächerlich. „Popmusik, die keine Popmusik ist“, war noch einer der überzeugenderen Vorschläge. Kammerpop eher nicht: Nur weil Ebba Durstewitz Cello spielt? Wenn man schon vom Ort ausgeht: Entlegen passt am besten, entrückt vielleicht, landläufig gar nicht.

Aber Lernen kann man immer wieder irgendetwas, von JaKönigJa, diesem eigenwilligen Etwas, das nun auch noch unseren Städten entflohen ist: Zumindest die Durstewitzs sind unlängst in die Heide gezogen und haben ihr sechstes Album dazu passend „Emanzipation im Wald“ genannt.

Auch das aber ist, naturgemäß, eine Finte: Nicht die Landlust hat sie dorthin getrieben, sondern der Stadtfrust: die steigenden Mieten, die Gentrifizierung. Und dort, im Wald und auf der Heide, sind sie auch nicht entstanden, sondern vorher schon, solch wundersame Zeilen wie: „Nun kann ich Blumen selbst bestäuben / Und mich mit Wollkraut so betäuben / Dass Erdmännchen um mich tanzen / Und auf mir Quittenkerne pflanzen.“

Und was kann man nun daraus lernen? Nur das noch: „Die Zukunft gehört dem Pferd.“

So, 27. 11., 23 Uhr, Nachtasyl

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