Berliner Szenen: Hundesalon
Wat und wie ick will
Der Laden wirkt aus der Zeit gefallen: An der linken Wand des vorderen Raums stapeln sich Stofftiere, an der Wand hängen Dankeskarten und Erinnerungsfotos. Aus dem hinteren Teil ruft eine dunkle Stimme: „Hier geht’s lang!“
Die Inhaberin des Hundesalons steht vor einem überdimensional großen Strand-Wandbild am Operationstisch, einem durch Quadersteinen erhöhten Metalltisch mit zwei Ketten. Mit der rechten Hand frisiert sie gerade den Nacken eines Bolognesers, mit der linken ascht sie gekonnt zielsicher eine Zigarette ab.
Auf dem Boden des Operationsraums liegen überall Hundehaare, es riecht streng: nach nassem Hund und kaltem Rauch. „Das ist mein 9-Uhr-Termin“, sagt die Hundefriseurin lächelnd und deutet auf den Bologneser. Es ist 10 Uhr. „Der 10-Uhr-Termin scheint nicht zu kommen“, sagt sie und fügt bitter hinzu: „Die meisten Kunden kommen und bleiben weg, wie sie wollen. Aber wehe, ich stehe nicht hier. Egal ob meine Mutter stirbt oder ich einen Bandscheibenvorfall habe, wenn ich nicht da bin, verliere ich gleich Kundschaft.“
Eine Bekannte von ihr kommt rein. „Die kommt immer, um sich die Zeit zu vertreiben“, sagt die Hundefriseurin. Die beiden Frauen rauchen eine Zigarette. Aus dem Wohnung drüber hört erst man Kindergeschrei, dann einen Schwall Schimpfwörter und einen dumpfen Knall. „Verdrischt wieder ihre Kinder“, sagt die Hundefriseurin ruhig. Die Bekannte fragt: „Soll’n wa die Polizei rufen?“
Die Hundefriseurin schüttelt den Kopf: „Nee. Wenn ick so wat sehe, geh ick dazwischen. Wat die aber in ihrer Wohnung macht ist ihrs. Ich mag’s auch nich, wenn man mir reinredet. Ständig sagen die Leute, ich soll hier nich rauchen, und ich sag: Nee, das ist mein Salon, ich rauch hier wat und wie ick will.“ Eva-Lena Lörzer
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