„Es hängt viel am guten Willen“

STADT AM FLUSS Gibt es bald keine Musik mehr auf der Weser? Noch gibt es auf der „Treue“ Programm – aber etwas muss sich tun, erklärt Geschäftsführer André Stuckenbrock

■ ist Geschäftsführer der „Treue“-GmbH. Der gelernte Tischler übernahm das Betonschiff vor fünfeinhalb Jahren. Stuckenbrock spielt Bass in der Band Jean Paul Moustache.

INTERVIEW ANDREAS SCHNELL

taz: Der „Weser Kurier“ berichtet, die „Treue“ habe bereits Insolvenz angemeldet. Stimmt das?

André Stuckenbrock: Bis jetzt nicht, aber es droht.

Es gab in letztes Jahr mehrere Einbrüche auf der „Treue“, Sie haben um einen zentraleren Liegeplatz gekämpft, die „Treue“ ist an ihrem Standort schwer zu bespielen.

Der Standort war vor allem in den ersten Jahren schwierig. Mittlerweile ist das sekundär geworden, weil der Verbreitungsgrad unserer Veranstaltungen relativ groß ist. Über die Hälfte unseres Publikums kommt von außerhalb, unser Einzugsgebiet ist das Weser-Ems-Gebiet bis Aurich, Nordenham, Emden und Osnabrück. Mit einigen Konzerten machen wir inzwischen sogar Hamburg Konkurrenz. Als unlängst Tuxedomoon bei uns gespielt haben, die lange nicht auf Tour waren und nur zwei Konzerte in Deutschland gespielt haben, kamen Leute aus Aachen angereist. Aber es dauert eben sehr lange, bis man soweit ist – für uns zu lange. Wir haben vor fünf Jahren mit einem Konzept begonnen, das nicht funktioniert hat. Damals haben wir vor allem neben dem gastronomischen Tagesgeschäft Firmenfeiern, Events, Weihnachtsfeiern und solche Sachen angeboten. Die Konzerte waren eher Lückenfüller. Über die Jahre hat sich das ganz anders entwickelt. Jetzt machen wir vor allem Konzerte, und das ist auch zu unserem Hauptumsatzträger geworden. Dieses Jahr schreiben wir zum ersten Mal eine schwarze Null.

Das heißt, in den ersten Jahren haben Sie ein Defizit angehäuft, das Ihnen nun das Genick zu brechen droht?

Ja, das ist letztes Jahr durch die Einbrüche noch verschärft worden. Soli-Aktionen haben uns einigermaßen gerettet, aber den Schaden konnten wir nicht abschütteln. Hätten wir einen richtig guten Sommer gehabt, würde es vielleicht anders aussehen, deshalb sind wir jetzt an einem Punkt, an dem wir sagen müssen: Wir kommen da aus eigener Kraft nicht raus. Was nicht heißt, dass das Projekt „Treue“ den Bach runtergeht, denn das Schiff bleibt ja da. Und es gibt auch Interessenten, die das weiterführen könnten. Ich bin grundsätzlich gewillt, mein Knowhow weiterzugeben und einzubringen. Nur mit der „Treue“-GmbH als Betreiberin wird es dann so nicht weitergehen.

Im Grunde müsste jemand die alten Schulden übernehmen?

Genau, wir können zwar die laufenden Kosten decken, aber nichts abzahlen.

Würde es genügen, wenn die kommenden Konzerte außergewöhnlich gut laufen?

Es würde natürlich helfen, wenn der Dezember gut läuft. Aber im Moment gibt es eher den gegenteiligen Effekt. Es gab private Feiern, die abgesagt wurden, weil die Leute verunsichert waren, was natürlich verständlich ist, aber mehr schadet als es hilft. Die Hoffnung ist eher, dass sich ein Nachfolger findet, der das Schiff übernimmt und unsere Ideen weiterführt, oder dass sich ein Verein gründet, der das Schiff erwirbt und als Eigner betreibt und pflegt und zu einem angemessenen Preis an eine Gastronomie verpachtet. Dann würde das nicht alles auf den Schultern von ein oder zwei Betreibern lasten. Das Schiff hat ja auch einen historischen Wert. Die „Treue“ ist eines der letzten erhaltenen Betonschiffe seiner Größe. Ich finde, Bremen müsste ein Interesse an so einem Ort haben. Die „Treue“ ist eine der wenigen Kulturstätten, die auf einem Fluss betrieben werden.

Ist das denn überhaupt noch zu stemmen?

Wenn es ein paar Leute gibt, die sich vorstellen können, so einen Verein zu gründen, ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen, dann würde uns wahrscheinlich den Laden niemand so schnell dichtmachen. Die Entscheidung muss natürlich schnell her, weil ich ja auch das Programm, das schon fürs nächste Jahr gebucht ist, absagen oder verlegen oder anderen Veranstaltern anbieten muss. Das betrifft ja schon das Januar-Programm.

Es sind in den nächsten Tagen Soli-Veranstaltungen geplant. Soll das eher der Mobilisierung für eine Vereinsgründung dienen, oder ist es realistisch, dass Sie Ihr Defizit dezimieren können?

■ Donnerstag (heute), 21 Uhr: Flowerpornos – heimisches Indie-Urgestein aus Duisburg mit neuem Album „Ich liebe Menschen wie ihr“.

■ Freitag: Soli-Party.

■ Donnerstag, 13. 12., 21 Uhr: I’m Not A Band – klassische Geige trifft Elektronik auf dem Tanzboden.

■ Samstag, 15. 12., 20 Uhr: Redfront Reloaded mit Supervoss, President Evil und Jinx – Punk, Metal, Rock.

■ Sonntag, 16. 12., 21 Uhr: Die Christian Steiffen Gala – „Gott of Schlager“.

■ Mittwoch, 19. 12., 21 Uhr: Talco – Ska-Punk aus Venedig mit italienischen Texten.

Schwer zu sagen. Es hängt viel am guten Willen unseres Vermieters. Und es müsste alles supergut laufen, damit es was bringt. Ich bin schon froh, wenn ich die Löhne für Dezember zahlen kann. Damit nicht auch noch die Mitarbeiter mehr darunter leiden müssen als nötig. Wir haben fünf Festangestellte und sieben Aushilfen. Die würden arbeitslos.

Haben Sie einen Plan B?

Ich werde eine ganze Weile mit Aufräumarbeiten beschäftigt sein, falls wir zumachen. Und ich bin persönlich natürlich auch betroffen, weil ich mich mit meinen Privatfinanzen völlig verausgabt habe. Wie das beruflich weiterginge, weiß der Geier. Ich würde schon gern in der Veranstaltungsbranche bleiben.

Wann ziehen Sie die Notbremse?

Schwer zu sagen, aber im Prinzip in den nächsten zwei Wochen.