portrait : Streitbarer Anwalt für Menschenrechte
Der Europarat bekommt einen neuen Kommissar für Menschenrechte: Die parlamentarische Versammlung einigte sich Mittwoch auf ihrer Herbstsitzung in Straßburg auf den Schweden Thomas Hammarberg. Mit 104 der 230 Stimmen siegte der 63-Jährige über seine Mitbewerber, den Polen Marek Antoni Nowicki und den Belgier Marc Verwilghen. Geht man von Hammarbergs Laufbahn aus, werden es Europas Regierungen ab 1. Januar 2006 mit einem unbequemen und die BürgerInnen mit einem streitbaren Anwalt für Menschenrechte zu tun bekommen.
Nach einem Wirtschaftsstudium arbeitete Hammarberg zunächst als Redakteur und Auslandskorrespondent bei Presse und Fernsehen. Zugleich engagierte er sich bei internationalen Hilfsorganisationen. 1980 wurde er Generalsekretär von amnesty international in London. 1986 wechselte Hammarberg auf den Leitungsposten der schwedischen Kinderhilfsorganisation Rädda Barnen (Rettet die Kinder) und wurde Mitglied des schwedischen Unicef-Komitees. Hammarberg, der verheiratet ist und einen Sohn hat, ist Mitglied der liberalen Folkpartiet.
Im Rahmen von UN-Organisationen war der Einsatz für Menschenrechte seit Ende der 80er sein Arbeitsschwerpunkt. So war er spezieller Gesandter des UN-Generalsekretärs für die Überwachung der Menschenrechte in Kambodscha. Für den UN-Hochkommissar für Menschenrechte arbeitete er als Ratgeber für Europa, Zentralasien und den Kaukasus. Nachdem bekannt geworden war, dass die CIA mit Billigung der schwedischen Regierung zwei Terrorverdächtige nach Ägypten verschleppt und gefoltert hatte, warf er als Vorsitzender einer Regierungskommission der Stockholmer Führung Mitverantwortung vor. Obgleich auf antisemitischen Internetseiten schon als „Zions schlimmster Agent in Schweden“ beschimpft, verurteilte er voriges Jahr die Hinrichtung von Hamas-Führer Ahmed Jassin durch Israel „als Katastrophe für die Friedensarbeit“. Für Iraks gestürzten Expräsidenten Saddam Hussein forderte er einen Prozess vor einem internationalen Gericht statt vor einer „von der Okkupationsmacht ausgewählten Versammlung“.
Der aktuellen Tendenz, dass Regierungen und Justiz im Zuge der Terrorbekämpfung grundlegende Menschenrechte immer häufiger zur Disposition stellen, erklärte Hammarberg, der noch das Stockholmer „Olof-Palme-Zentrum“ für Politikforschung leitet: „Ein total falscher Ansatz, der zerstörerische Konsequenzen haben würde. Im Gegenteil ist es zur Erreichung langfristiger Erfolge erforderlich, dass man ausschließlich im von den Menschenrechten gesteckten Rahmen agiert.“ REINHARD WOLFF