LESERINNENBRIEFE
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die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitungDie Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor . Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Dem neuen Senat Druck machen

betr.: „Das ist eine neue Form von Apartheid“, taz vom 28. 9. 16

Vielen Dank für diesen Artikel. Frau Henniges hat die Situation sehr treffend dargestellt. Die Lage in den Notunterkünften ist schrecklich. Man muss allerdings auch sehen, dass einige der Senatsangestellten sich wirklich bemühen, Lösungen für die Flüchtlinge zu finden. Aber was sollen sie machen, wenn es einfach keine Möglichkeiten gibt, die Flüchtlinge besser unterzubringen. Ich denke, dass wir alle gefordert sind, dem neuen Senat Druck zu machen, dass leerstehende Gebäude wieder hergerichtet und die Flüchtlinge dezentral untergebracht werden. Diesen Druck herzustellen, wird auch Aufgabe der Hilfsnetzwerke sein.

Birgit Funke-Wittig, Berlin

Es droht Privatisierung der Bildung

betr.: „Ideen für den Schulneubau“, taz vom 4. 9. 16

Schulen und den Schulbau in privatrechtliche Gesellschaften zu überführen – das ist ein weitreichender Schritt in Richtung Privatisierung der Bildung. Wenn sich dann diese GmbHs verschulden dürfen, wird dabei nicht nur die Schuldenbremse umgangen, die Kredite sind dann auch zwangsläufig teurer, als es die klassische Finanzierung aus dem Haushalt ist. Und obendrein werden die Schulen indirekt oder direkt als Sicherheiten verpfändet. Was ist, wenn die Lage Berlins in 10, 15 Jahren nicht besser ist? Dann gehen die Schulgebäude ganz an die Banken. Oder was, wenn die übernächste Regierung denkt, sie möchte die Schulen verkaufen? Dann sind sie schon verkaufsfertig in privatrechtlichen GmbHs verpackt. Das vorgeschlagene Modell der Linken und der SPD erfordert übrigens, dass die Landesverfassung geändert wird. Die Bezirke müssten erst entmachtet werden, damit das Land Berlin den Schulbau zentralisieren kann. Hat das ein Politiker im Wahlkampf schon angekündigt? Carl-Friedrich Waßmuth, Berlin

Skurriles erleben

betr.: „Zeit.Orte: Wir schliefen auf Heu … “, taz vom 8. 9. 16

Ich beneide helmut höge unendlich um dieses zeitfenster, in dem er leben durfte. skurriles erleben und dabei unerreichbar sein. möglich war dieses leben allerdings nur bis 1989 in westdeutschland. ich versuche immer dieses gefühl nachzuvollziehen, das die linken 1945 nach dem krieg in der ostzone hatten. es muss sich unglaublich angefühlt haben. adolf war weg-und jetzt konnte es losgehen. ein historischer moment. zumindest für die ostzone. warum ging dann so viel schief? kam dieser moment zu spät? war die industrialisierung zu weit fortgeschritten? aktuell zeigt der erfolg der afd, dass wieder die zeit reif wäre für veränderungen. ja, das pathos muss sein!

aber die linken schaffen’s mal wieder nicht, diesen wunsch nach veränderungen für sich zu nutzen. es ist deprimierend.

für helmut höge jedoch hat sich alles gelohnt. der – aus heutiger sicht – dilettantismus, mit dem die dinge damals geregelt wurden, hat richtiges leben ermöglicht.

unsere profis von heute ersticken alles leben im keim. und sollte es doch mal etwas leben ans tageslicht schaffen, kann alles mit dem professionell dafür ausgebildeten therapeuten hinterher besprochen werden. BORIS KRUMM, Hopfgarten

Herausforderung Familie

betr.: „Lauschen auf Volkes Stimme“, taz vom 2. 10. 16

Andreas Hergeth scheint zu den wenigen linken JournalistInnen zu gehören, die vor lauter Eifer, die ganze Welt zu retten, ihr nächstes Umfeld noch nicht völlig aus dem Blick verloren haben. Wer mit dem Kleinen und Konkreten nicht zurechtkommt, ist meiner Erfahrung nach mit dem Großen und dem Ganzen erst recht heillos überfordert. Sehen wir es doch mal so: Brüder (und Schwestern) kann man sich nicht aussuchen. Für Hedonisten und andere „moderne“ Menschen mag das eine schwere Kränkung sein. Für alle anderen ist es allerdings auch eine gute Übung. Wer nicht feige wegrennt und sich stattdessen einlässt auf die Herausforderung Familie, der lernt zurechtzukommen mit kommunikativen und anderen Problemen.

Hergeth jedenfalls scheint schon einen „besseren Job“ zu machen, auch wenn er das mitunter sicher anders empfindet und lausig bezahlt wird dafür. Übrigens: Vor 25 Jahren hat die Linke, die damals noch SED/PDS hieß, verkündet: „Wir arbeiten an unserer eigenen Abschaffung.“ Das hab ich leider schon lange nicht mehr gehört, auch nicht von den Grünen oder der SPD. Schade. Es klang nach emanzipatorischem Projekt für mich.Mowgli,taz.de