: Über der Wahrnehmungsgrenze fechten
Bei der Fecht-WM kämpft die Kölner Studentin Britta Heidemann um Gold. Zuhause ist sie unbekannt, in China ein Star
KÖLN taz ■ Ist alles so simpel manchmal. Britta Heidemann hatte gerade eine olympische Silbermedaille mit der Mannschaft gewonnen, als sie diesen chinesischen Reporter ansprach. Wohlgemerkt: Sie ihn. Nicht er sie. „Er stand da und telefonierte“, erzählt Heidemann, „da habe ich ihn einfach angesprochen“. So kam alles zustande. Dieser Bericht in der China Allsports, eines der auflagenstärksten Sportmagazine der Welt, der ihr ebenso viel Aufmerksamkeit schenkte wie Superstar Michael Schumacher: Sieben Seiten. Mit dem dazugehörigen medialen Bohai: Langes Licht ausrichten, langes Warten, noch längeres Fotografieren. Das Warten lohnte sich. Die Fotos waren großartig. Daraufhin meldete sich CCTV5, ein staatlicher Fernsehsender, und drehte mit ihr. Die halbstündige Reportage lief im Mai. „So ist das gelaufen“, sagt Heidemann lakonisch und lächelt.
Dieses Lächeln bedeutet: Sie weiß das einzuordnen. Die Aufmerksamkeit in China sei darauf zurückzuführen, dass sie die Sprache beherrsche. Wird sie dort auf der Straße erkannt? „Nein“, sagt sie, „die können das nicht so auseinanderhalten.“ Sie muss lächeln bei dem Gedanken: „Da ist bei mir wie bei allen blonden Mädchen, die dort auftreten. Die Chinesen sagen dann: Die sieht aus wie Claudia Schiffer.“
Nun ist die 22-Jährige zwar 1,80 Meter groß, und blond und hübsch ist sie auch. Und hierzulande hat sie schon aufregende Foto-Shootings hinter sich, so letztes Jahr für den Playboy. Aber ein glamouröser Superstar, der sich nicht frei bewegen kann, ist sie deswegen nicht geworden. Nicht einmal in der Mensa der Deutschen Sporthochschule in Köln wird sie erkannt. Weil sie Fechterin ist. Eine Weltklasse-Athletin zwar. Aber Fechten zählt in Deutschland zu den Randsportarten.
Die öffentliche Aufmerksamkeit steigt nicht einmal jetzt, wo in Leipzig die Fecht-Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Ein „Weltfest des Fechtens“ hat der Präsident des Deutschen Fechter-Bundes, Gordon Rapp, angekündigt. Rapp ist zufrieden mit der öffentlichen Wahrnehmung, „über 300 akkreditierte Journalisten“ vermeldet er stolz. Auch lobt Rapp das „starke Engagement“ des Senders Eurosport, der täglich überträgt. Aber Zeitungen und Zeitschriften hielten sich bisher diskret zurück. Und die Vermarkter von ARD und ZDF haben die Rechte weiterverkauft: Für die Öffentlich-Rechtlichen reichen die Quoten nicht.
Man könnte also, weil das Fechten in Deutschland knapp unter der Wahrnehmungsgrenze angesiedelt ist, ein Klagelied anstimmen auf die Situation in dieser Sportart. Den Untergang seit den olympischen Triumphen der Fichtels, Baus und Schmitts besingen. Doch Britta Heidemann, die bei Bayer Leverkusen ficht, tut das nicht. Die Zeiten, in denen die klassischen Fecht-Nationen wie Deutschland, Ungarn, Frankreich und Italien diesen Sport dominierten, seien nun einmal vorbei. Kleinere Staaten drängen nach vorn. Im Trainingslager, erzählt Heidemann, war ein Venezolaner dabei. Auch das Fechten globalisiert sich. In Leipzig treten 83 Nationen an.
Für das deutsche Damen-Degenfechten gelte ein Untergangsszenario ohnehin nicht, sagt Heidemann, „da sind wir ziemlich gut dabei. Die Leistungsdichte ist wieder besser geworden“. In der Tat gewann die Mannschaft zuletzt zweimal Silber (2002, 2004), dazu kamen Einzelmedaillen (2001, 2002, 2003). In diesem Jahr will die Mannschaft Gold, und im Einzel gilt die 30-Jährige Imke Duplitzer (Bonn) als Topfavoritin. Claudia Bokel (Bonn) und Monika Sozanska (Heidenheim) zählen ebenfalls zu den gesetzten 16 Teilnehmerinnen, wie auch Heidemann. Auch sie hat große Chancen. Zwar hat Heidemann insgesamt weniger trainiert in diesem Jahr, weil sie Ihr Studium der Regionalwissenschaften China vorangetrieben hat. Aber in den letzten zwei Monaten waren ja Semesterferien. Sie ist topvorbereitet auf diese WM, die für sie so wichtig ist wie Peking 2008. Sie freut sich darauf, dass sie vor 3.000 Zuschauern in der Arena Leipzig auftreten darf, dort, wo nur eine einzige Planche steht. „Alle klatschen für Dich, das ist schon geil.“ ERIK EGGERS