Auf der Suche nach der vergangenen Form

Team der Woche: Zum Saison-Auftakt in der Volleyball-Bundesliga verstärkt sich der SC Charlottenburg mit drei Talenten aus der eigenen Jugend

Berlin ist für Volleyball eigentlich zu brutal. Während beim Konkurrenten in Friedrichshafen am Bodensee die Halle stets voll ist, müssen sich die Erstliga-Volleyballer des SC Charlottenburg meist mit 1.000 Zuschauern zufrieden geben. Schuld daran ist der Charakter der Hauptstadt, glaubt Kaweh Niroomand. „In einer Stadt, die nur Top-Ereignisse annimmt, sind 1.000 Zuschauer doch nicht schlecht“, findet der Manager des SCC. Bei Champions-League-Spielen habe man schließlich auch hier in Berlin die Halle voll, sagt Niromaand.

Champions League wird in der Sporthalle Charlottenburg in der laufenden Saison aber nicht gespielt. Mit Platz vier in der Meisterschaft hat der Meister der Jahre 2003 und 2004 zuletzt etwas enttäuscht. Statt fürs große internationale Volleyballgeschäft hat sich der SCC nur für den CEV-Cup qualifiziert. Vom 11. bis 13. November geht es für das Team um Kapitän Jaroslav Skach im spanischen Soria um den Einzug ins Achtelfinale. Der „Uefa-Cup“ der Volleyballer muss als Trostpflaster für verpasste Chancen herhalten, in der laufenden Saison sollen es die SCCler besser machen.

„Wir wollen dorthin zurück, wo wir vor zwei Jahren standen“, erklärt Niroomand. Das Ziel vorzugeben, am Ende der Saison auf Platz eins zu stehen, sei angesichts der Friedrichshafener Übermacht aber vermessen. Zwischen den Zeilen formulieren die Verantwortlichen des Vereins dennoch genau diesen Anspruch. „Wir wollen mit die Nummer eins sein, ein echter Konkurrent sein“, heißt es in der geschönten Version.

Umsetzen soll dieses Vorhaben der neue Mann an der Linie: Michael Warm, der Mirko Culic nach vier Jahren Trainertätigkeit beim SCC beerbt. Warm hat zuvor als Nachwuchstrainer des Deutschen Volleyball-Verbands agiert und parallel den VC Olympia, die Talentschmiede des SCC, trainiert. Für Niroomand ist er der „beste Mann, der auf dem Markt war“. Der Manager freut sich auf die neuen Impulse, die er sich von Warm erwartet. Technisch und taktisch sei der 37-Jährige hervorragend, zudem noch sehr engagiert und erfahren in der Nachwuchsarbeit.

Darauf kommt es den Berlinern an. Denn weil in Charlottenburg die finanziellen Mittel fehlen, es dem VC Friedrichshafen gleichzutun, der sich dank eines immensen Etats quasi unbegrenzt neue Spieler leisten könne, muss sich der SCC die Talente selbst heranziehen. Drei haben in dieser Saison den Sprung in die erste Mannschaft geschafft: der Mittelblocker und Außenangreifer Marcus Böhme, Außenangreifer Dirk Westphal und Zuspieler Patrick Steuerwald. Gespielt haben die Jungen vergangenen Mittwoch beim Saisonauftakt gegen den VV Humann Essen nicht oder nur kurz. Ein bisschen Geduld müssten die Jugendlichen schon haben, findet Niroomand. „Aber die haben sie auch“, ist er sich sicher, dass die drei ihre Chance nutzen werden.

Zusätzlich verstärkt der finnische Nationalspieler Matti Ollikainen den SCC. Dem 24-Jährigen kommt eine ganz besondere Aufgabe zuteil: Er soll auf der Position von Robert Kromm spielen, der in die italienische Profiliga gewechselt ist. Dass es fast unmöglich sei, ein Ausnahmetalent im Angriff wie Kromm adäquat zu ersetzten, muss auch Niroomand einräumen. Mit Ollikainen habe man aber einen mindestens gleichwertigen Spieler gefunden – nur mit anderen Qualitäten. „Matti ist ein exzellenter Annahmespieler. Da ist er besser als Robert. Wir können jetzt ein bisschen anders spielen: Eine gute Annahme macht das Spiel schneller und variantenreicher“, freut sich Niroomand auf taktische Änderungen.

Dass er etwas kann, hat Ollikainen schon beim Saisonauftakt bewiesen. Trotz Trainingsrückstands hat der Finne beim 3:1 gegen den Aufsteiger VV Humann Essen durchgespielt. Gerüchten zufolge ist Ollikainen über seinen Landsmann und jetzigen Mitspieler Nisse Huttunen selbst auf den SC Charlottenburg zugegangen. Von Vereinsseite wird das aber bestritten: Der SCC will das Talent selbst erkannt haben. Hin und wieder hat Ollikainen seine vielgerühmte Klasse am Mittwoch schon aufblitzen lassen. Die rund 1.000 Zuschauer in der Sporthalle Charlottenburg in der Sömmeringstraße waren begeistert.

ALEXANDRA KIESSLING