: „Kaltes Kalkül“ oder schwere Krankheit?
Widersprüchliche Plädoyers im Mordprozess gegen den Ehemann der getöteten Corinna M. Urteil fällt morgen
bremen taz ■ Mit seinen Nachstellungen hat der Angeklagte Michael M. (41) seiner Frau das Leben monatelang zur Hölle gemacht, bevor er ihr am 7. März 2005 im Maritimhotel auflauerte und sie dort von hinten erstach. So sah es gestern im Mordprozess gegen den Verfolger, den Ehemann, der Staatsanwalt im Landgericht. Er plädierte auf 14 Jahre Haft wegen heimtückischen Mordes. Dabei berücksichtigte er strafmildernd, dass zwei Gutachter dem Täter eine „Anpassungsstörung“, eine quasi autistische Interpretation der Wirklichkeit, attestiert hatten. Der Mann, der unter anderem an Panikattacken litt, hatte mehrfach ein gerichtlich verhängtes Annäherungsverbot zu seiner Frau missachtet.
„Kaltes Kalkül“ warf dem Angeklagten der Nebenklagevertreter vor. Er vertritt Bruder und Mutter der getöteten Corinna M. (39). „Ihre Erinnerungslücke ist Ihnen nicht abzunehmen“, blieb er vom ich-bezogenen Leiden des Angeklagten, der angab, ohne seine Frau nicht leben zu können, unbeeindruckt. Vielmehr habe der verschmähte Ehemann seine Frau planvoll verfolgt und hinterrücks erstochen. Deshalb habe die Getötete keine Abwehrverletzungen an den Händen. Aus Sicht von Anklage und Nebenklage war die Tat gegenüber Familienmitgliedern angekündigt worden.
Zuletzt hatte der ehemalige Speditionsfachmann auch vor Unbeteiligten Tötungsabsichten geäußert. Im Energiecafé am Wall wollte er im Januar von einem Gast eine schallgedämpfte Schusswaffe kaufen. Als der Angefragte sich mit Warnhinweisen inklusive der Telefonnummer von Michael M. an die Polizei wandte, ließ die Mordkommission den Hinweis liegen. „Eine unfassbare Nachlässigkeit. Das bleibt die bittere Wahrheit“, so der Nebenklagevertreter. Das Verhalten des Angeklagten nach der Tat wertete er als zielgerichtet. Wer die blutbefleckte Hose wende, dann Sohn und Tochter aus dem Kindergarten abzuholen versuche und schließlich einen Sparkassenkredit für einen Sportwagen bewilligt bekomme, handele überlegt. Anders als die Gutachter erkenne er keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung.
Ganz anders die Verteidigerin, die auf „eine milde Strafe“ für Totschlag im minderschweren Fall plädierte. Ihr schwer kranker Mandant habe am Tattag mit seiner Frau sprechen wollen. Das Messer habe er als Druckmittel dabei gehabt. Die Angst, die Michael M. anderen und seiner Frau gemacht habe, entsprach der, die er selbst nach der Trennung empfand. Belege für einen Angriff von hinten sehe sie nicht. In einem mit Rechtszitaten gespickten 90-minütigen Plädoyer machte sie deutlich, dass sie eine Verurteilung wegen Mordes nicht akzeptiere. ede