: Einbruch in die Männerdomäne
Rapper gelten als böse Buben – jetzt gibt es Kurse, in denen junge Frauen lernen, Wörter als Waffe zu nutzen
Das Café Pink ist – entsprechend seinem Namen – in einem Altbau mit dunkelrosa Anstrich untergebracht. Dabei steht die Farbe nicht nur für den Namen, sondern auch für die Besucherinnen des Jugendtreffs: Hier haben nur Mädchen und junge Frauen Zutritt. Nach draußen klingen schwere Beats. Drinnen, im Café, sitzen acht Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren um einen großen Holztisch herum. Drei Tage lang haben sie sich in einem Workshop mit einer eigentlich typisch männlichen Domäne befasst – dem Rap. Jetzt gehen sie bei einer Tasse Pfefferminztee noch einmal ihre Texte durch, die in dieser Zeit entstanden sind.
Hier drin ist es gemütlich – von Ghetto-Atmosphäre, wie man sie aus den Musikvideos dieses Genres kennt, keine Spur. An der Wand stehen Regale voll Bücher. Gegenüber der Eingangstür befindet sich eine Küchenzeile mit Theke, die kurzerhand in ein DJ-Pult verwandelt wurde. CD-Player, Mischpult, Lautsprecherboxen, Aufnahmegeräte und eine Hand voll Mikrofone – das Café gleicht einem kleinen Tonstudio.
Virginie stellt ihren Pfefferminztee beiseite und greift sich ein Mikrofon. Aus den Boxen klingt eine gleichmäßige, rhythmische Melodie; dann beginnt die 13-Jährige, mit Betonung auf den 4. Takt zu rappen: „Je m’appelle Virginie, ich heiße Virginie, ich erzähl euch was, das glaubt ihr mir nie.“
Virginie stammt von der westafrikanischen Elfenbeinküste, wohnt seit vier Jahren in Deutschland und besucht in Berlin die Französische Schule. In ihren Texten geht es vor allem um ihre Jugend. „Meine Mutter hat ihre ganze Kraft mir gewidmet. Mit dem Lied möchte ich ihr Danke sagen“, erzählt Virginie mit einem Lächeln. Doch als sie ihren Song rappt, wird sie sehr ernst: „Meine Mutter war 16, als sie mich bekam, sie hatte kein Geld und sie war arm. Das Leben ist schwer, doch man kann es begehren, man kann darum kämpfen und sich nicht beschweren“, erzählt sie in ihrem Sprechgesang.
Unter professioneller Anleitung schrieben Virginie und die anderen Mädchen ihre Geschichten und suchten die passenden Reime aus: Die Rapperin Ariane Brenssell und zwei ihrer Kolleginnen betreuen den Kurs. Die 42-Jährige ist eigentlich Psychologin. Aber sie gibt häufiger Rap-Textseminare für Frauen und tritt manchmal selbst mit ihren eigenen, oft politischen Texten auf. „Wenn Jungen dabei sind, geraten Mädchen schnell in den Hintergrund, trauen sich nicht oder kommen erst gar nicht zum Zug. Daher haben wir dieses Rap-Projekt speziell für Mädchen ins Leben gerufen“, sagt Ariane Brenssell.
Ermöglicht wurde der Kurs durch die Aktion Mensch. Im Rahmen der Lotterie werden 5.000 soziale Projekte mit jeweils 5.000 Euro bezuschusst. Mit dem Geld und der Hilfe weiterer Sponsoren können insgesamt drei Rap-Workshops finanziert werden.
Das Café Pink war ein idealer Ort dafür. Jeden Tag kommen hierher viele junge Mädchen, da fiel es nicht schwer, genügend Teilnehmer für den Workshop zu begeistern. „Wir sind oft im Café Pink, gleich nach der Schule. Und als wir gefragt wurden, ob wir Lust auf Rap hätten, haben wir ja gesagt und dann waren wir dabei. Es hat echt Spaß gemacht“, erzählt Yasmin. Dann geht die 14-Jährige mit ihrer vier Jahre jüngeren Schwester auf die provisorische Bühne neben der Küchentheke.
Das Geschwisterpaar hat sich dem Gangsta-Rap angenommen, und so posen die beiden ganz im Stil großkotziger Rapperinnen mit gekonnten Gesten zu ihrem Text: „Ich kenne eine Frau, sie ist nicht schlau, sie ist sehr fett und überhaupt nicht nett.“ Die kleinen Gangsta-Bräute werden von ihren Kolleginnen regelrecht gefeiert. ANNE MÄRTENS
Heute beginnt der dreitägige Rap-Kurs im Mädchentreff in der Jagowstraße in Moabit