: Das Verbrechen an der Gesellschaft
WETTSKANDAL Das Frühwarnsystem hat versagt, bedauert der Präsident des Deutschen Fußballbundes. Andere sehen es lockerer. Ein Spieler aus Würzburg aber sitzt schon in U-Haft
BAYERN-MANAGER ULI HOENESS
VON ANDREAS RÜTTENAUER
Die einen sprechen vom größten Manipulationsskandal im europäischen Fußball, andere finden weniger schlimm, was die Staatsanwaltschaft Bochum in Zusammenarbeit mit der Europäischen Fußballunion (Uefa) ermittelt hat. Nachdem am Freitag bekannt wurde, dass Wettbetrüger versucht haben, Einfluss auf das Ergebnis von etwa 200 Fußballspielen in neun europäischen Ländern zu nehmen, herrscht neben Entsetzen vor allem Ratlosigkeit.
Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), musste zugeben, dass sein Verband von den Manipulationen nicht einmal etwas geahnt hat. Warum das Frühwarnsystem, das Auffälligkeiten im Wettverhalten der Zocker meldet, im Falle der vermuteten Manipulationen versagt habe, konnte er nicht sagen. In der ARD-„Sportschau“ sprach er von einem „Verbrechen an der Gesellschaft“, das es entsprechend hart zu sühnen gelte. Uli Hoeneß, der Manager des FC Bayern München, versuchte unterdessen, den Skandal ein wenig runterzukochen: „Es ist schlimm, aber ich finde es jetzt nicht so dramatisch, dass man sich stundenlang darüber aufregen muss.“
In der Tat gibt es keine Hinweise darauf, dass Spiele der ersten Bundesliga von den Manipulationen betroffen sind. Auch die drei Champions-League-Spiele und die zwölf Partien der Europa League, die den Ermittlern auffielen, betreffen keinen der großen Klubs. Wie die Uefa in einer Stellungnahme mitteilte, handelt es sich um Spiele der frühen Qualifikationsrunden, bei denen die Klubs der kleinen Mitgliedsverbände um Tickets für die Hauptrunde kämpfen.
Im Gegensatz zum DFB und der Deutschen Fußballliga (DFL), in dem die 36 deutschen Erst- und Zweitligaklubs zusammengeschlossen sind, wurde die Uefa indes in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum einbezogen. Für Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von staatlichen Behörden mit Sportverbänden. DFL-Präsident Rauball hingegen äußerte sich beinahe beleidigt darüber, dass sein Verband nicht frühzeitig informiert worden ist: „Wir sind nicht ganz glücklich damit, dass die Betroffenen nicht eingeweiht wurden.“ Auch Rauball sieht noch nicht den ganz großen Skandal. „Man gewinnt den Eindruck in Deutschland, dass die Ermittlungen so gut wie sicher rechtskräftige Verurteilungen zur Folge haben. Es sind lediglich laufende Ermittlungen“, sagte er.
Die haben ergeben, dass das Zentrum der europaweiten Aktionen der Wettbetrüger in Deutschland liegt. Fünf Berliner, zu denen auch Ante Sapina, der Protagonist des letzten großen Wettskandals in Deutschland um Schiedsrichter Robert Hoyzer gehört, sollen die Manipulationen geplant haben. Vom Ruhrgebiet aus sollen dann die Kontakte zu Klubs und Spielern geknüpft worden sein. Bis zu fünfstellige Eurobeträge sollen an Spieler für ein bestimmtes Ergebnis gezahlt worden sein.
Der Marler Anwalt, Burkhard Benecken, der Deniz C., einen der in Untersuchungshaft genommenen Beschuldigten vertritt, hat einige Spiele publik gemacht, an deren Manipulation sein Mandant mitgewirkt haben soll. Darunter sind zwei Partien der höchsten türkischen Spielklasse (Trabzonspor gegen Antalyaspor und Ankaraspor gegen Bursaspor), und zwei Zweitligaspiele aus der Schweiz und Belgien. C. wird zudem vorgeworfen, einen Wettanbieter aus Nürnberg „verschleppt, gefangen gehalten und mit Schlägen gequält“ zu haben, um 100.000 Euro Spielschulden einzufordern. Benecken will die Vorwürfe gegen seinen Mandanten entkräften. Auch die drei Spieler des VfL Osnabrück, Thomas Reichenberger, Marcel Schuon und Thomas Cichon, deren Namen als Verdächtige durch die Medien gejagt wurden, beteuern ihre Unschuld (siehe unten). Nachdem Schuons Wohnung durchsucht worden ist, entschloss sich sein neuer Verein, der FC Sandhausen, den Spieler für die Partie am Wochenende nicht aufzubieten. Sandhausens Manager, Tobias Gebert, nahm seinen Spieler gegen das „mediale Kesseltreiben“ in Schutz.
Ein Fußballer sitzt derweil in Untersuchungshaft: Ein Landesligakicker aus Würzburg, gegen den schon einmal wegen Schiebereien ermittelt worden war, gehört zu den Verdächtigen.