: China schickt zwei Taikonauten ins All
Das Reich der Mitte startet eine neue Weltraummission – und demonstriert dabei zum ersten Mal Offenheit
BERLIN taz ■ China schickt heute, wenn alles nach Plan läuft, ein Shenzhou-Raumschiff mit zwei Taikonauten ins All. Bisher waren Chinas Weltraummissionen immer streng geheim. Diesmal demonstriert das Reich der Mitte hingegen Offenheit und Selbstbewusstsein. Zum ersten Mal dürfen sogar schaulustige Touristen zum chinesischen Raumfahrtbahnhof Jiuquan am Rande der Wüste Gobi im Norden Chinas reisen. Das Staatsfernsehen überträgt live Bilder vom Start und aus dem Raumschiff.
„Shenzhou 6“, das magische Schiff, wird mit einer Rakete des Typs „Langer Marsch-2F“ in den Weltraum starten. Chinesischen Medien zufolge soll es knapp fünf Tage im Orbit bleiben. Die zwei Besatzungsmitglieder, voraussichtlich Zhai Zhigang und Nie Haisheng, gehören dem 14-köpfigen Raumfahrerkorps Chinas an. Noch nie gab es vorab so viele Details. Bei Chinas erstem bemannten Raumflug am 15. Oktober 2003 wurden der Name des Taikonauten erst nach dem erfolgreichen Start bekannt gegeben. Und das chinesische Fernsehen zeigte Bilder nur nach Ende der Mission.
Einzelheiten zu den Experimenten zu veröffentlichen, die die zwei Taikonauten in den nächsten Tagen machen sollen – dazu reicht es in China noch nicht. Das Raumfahrtprogramm des Landes steht zum großen Teil unter militärischer Kontrolle. Der Flug dürfte aber vor allem der Erprobung der chinesischen Raumfahrttechnik dienen.
Die Shenzhou-Raumschiffe erinnern – zumindest äußerlich – an die sowjetischen Sojus-Schiffe und sind nur unwesentlich größer als diese. China durchläuft mit seinem bemannten Raumfahrtprogramm derzeit eine Phase, die die Sowjetunion und die USA Anfang der Sechzigerjahre machten – allerdings im Zeitraffer. Denn schon bei den nächsten beiden Raumflügen sollen die Besatzungsmitglieder den Ausstieg ins All wagen und ein Kopplungsmanöver machen. Auch könnte bald die erste Chinesin ins All fliegen. Seit kurzem trainieren 35 Chinesinnen die Raumfahrt.
Langfristig dürfte es China vor allem um das Prestige gehen, neben der Sowjetunion und den USA die dritte Nation der Erde zu sein, die in Eigenregie bemannte Raumfahrt betreibt – eine Leistung, die hochkomplizierter Technik, tausender Wissenschaftler und Ingenieure und spezieller Infrastruktur bedarf. China will in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren eine eigene Raumstation bauen und nach dem Jahr 2025 eine bemannte Mission zum Mond zu schicken.
Nebenbei kann sich China derzeit auch zugute halten, dass das Land Raumfahrer ins All bringt, während die USA am Tiefpunkt ihrer bemannten Raumfahrtgeschichte stehen. Wirklich frustriert dürften die Amerikaner allerdings kaum sein: Die chinesischen Raumfahrt-Erfahrungen reichen weder an das US-Niveau noch an das russische heran. KENO VERSECK