: Das Konzert auch als Versuchsanordnung
NEUE MUSIK Das Ensemble Mosaik erforscht seit 15 Jahren die Bedingungen des Musikmachens und feiert jetzt im Berghain sein Jubiläum
Die Neue Musik sieht heute, nach einer ganzen Reihe von Jahrzehnten zeitgenössischen Tonschaffens, mitunter einigermaßen alt aus. Von der Aufbruchsstimmung der Nachkriegszeit ist im längst etablierten Konzert- und Festivalbetrieb nur noch wenig zu spüren, die Gesellschaft verändern wollen ohnehin nur noch sehr wenige Komponisten. Zwar gibt es weiter ein Publikum für die akademische Musik der Gegenwart, doch hat diese deutlich an Breitenwirkung eingebüßt. Engagement für diese Musik ist daher vielleicht dringlicher denn je.
Dazu gehört ein überdurchschnittlicher Entdeckungsgeist, der sich nicht in der getreuen Wiedergabe von Partituren erschöpft, sondern den eigenen Ansatz in verschiedenste Richtungen offen hält. Unter den Formationen, die sich aktuellen Komponisten widmen, ist das Berliner Ensemble Mosaik sicherlich eines der experimentierfreudigsten.
Vor 15 Jahren überwiegend von Studenten und Absolventen der Universität der Künste gegründet, hat es sich nicht nur als eines der führenden Ensembles für Neue Musik etablieren können, das sich verstärkt jungen, wenig bekannten Komponisten widmet, sondern erkundet auch die Möglichkeiten der Inszenierung von Konzerten, setzt sich mit neuen Technologien auseinander und integriert außermusikalische kulturelle Entwicklungen in seine Arbeit. Etwa im Projekt „open_sources“, bei dem das Prinzip der Open-Source-Bewegung in einen „partizipatorischen Kompositionsprozess“ der beteiligten Künstler übersetzt wurde. Verschiedene ästhetische Blickwinkel lässt man ausdrücklich nebeneinander gelten.
„Perspective matters“ heißt denn auch ein zweiteiliger Konzertabend im Club Berghain, mit dem das Ensemble Mosaik heute und am Freitag die anderthalb Dekaden seines Bestehens feiert. Beispielhaft für seinen Ansatz wird in einer den ganzen Raum nutzenden Installation konzertiert, mit der die Wahrnehmung des Publikums „gestaltet“ wird. Das Projekt ist eine Gemeinschaftsarbeit mit dem brasilianischen Filmduo Distruktur und dem Regisseur Thomas Fiedler. Sowohl die Filmprojektionen als auch die Aktionen der Musiker im Raum sollen dabei das Hören der Kompositionen wie ein Audioguide lenken.
Im Anschluss ein DJ-Set
Auf dem Programm stehen Werke von insgesamt sechs Komponisten, darunter auch ein Stück von Orm Finnendahl, dem Leiter des Freiburger Studios für elektronische Musik, mit dem die Musiker oft zusammenarbeiten. Finnendahls „Gegenüberstellung“ wird genauso wie Iris ter Shiphorsts, von Lars von Triers Film „Breaking the Waves“ inspirierte Komposition „Brea- king …“ heute uraufgeführt. Freitag gibt es im Anschluss an das Konzert noch ein DJ-Set des Komponisten und Technoproduzenten Stefan Goldmann.
Geleitet wird das Ensemble von dem Komponisten Enno Poppe, der seinerzeit bei Stefan Goldmanns Vater Friedrich Goldmann an der Universität der Künste Berlin studiert hat. In seiner Arbeit mit dem Ensemble Mosaik betätigt sich Poppe jedoch in erster Linie als Dirigent. Seine Musik wird bei „Perspective matters“ nicht aufgeführt werden. TIM CASPAR BOEHME
■ „Perspective matters“. Heute und Fr., 20 Uhr, Berghain, 9,50 Euro