: Alle Schalter auf kommunal
STROM Experten sprechen im Abgeordnetenhaus über die Zukunft des Stromnetzes. Rot-Schwarz bringt Gesetz über Stadtwerke ins Parlament – um Volksbegehren zu verhindern
■ Acht Unternehmen haben Interesse bekundet, von 2015 an das Berliner Stromnetz zu betreiben:
■ Die Alliander AG gehört holländischen Kommunen und betreibt bereits die Ampelanlagen in Berlin.
■ Mit Berlin Energie hat sich das Land Berlin beworben; bisher ist es ein Einmannbetrieb, angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
■ Bei der Genossenschaft Bürger Energie Berlin kann jeder Bürger Teilhaber werden.
■ Die envia Mitteldeutsche Energie AG ist eine Tochter von RWE.
■ Die Stadtwerke Schwäbisch Hall sind ein zu 100 Prozent kommunales Energieunternehmen aus Baden-Württemberg.
■ Hinter der Thüga-Gruppe verbirgt sich ein Netzwerk von 100 kommunalen Stadtwerken.
■ Mit State Grid International Development hat sich ein riesiger chinesischer Staatskonzern um das Netz beworben.
■ Und schließlichVattenfall: Der Konzern betreibt das Netz bisher und will es auch künftig tun. (sepu)
VON SEBASTIAN PUSCHNER
Am einfachsten wäre es, sagt der Anwalt Philipp Boos zu den Landesparlamentariern, Berlin würde den alten Betreiber des Stromnetzes, Vattenfall, einfach weiterverpflichten. „Ob das allerdings die beste Entscheidung für die Stadt ist, müssen Sie entscheiden.“
Boos ist einer von fünf Experten, die der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch eingeladen hat, um über die Vergabe der Konzession für das Berliner Stromnetz ab 2015 zu sprechen. Würde Vattenfall wieder den Zuschlag erhalten, bliebe alles beim Alten. Doch vor allem die SPD will das Netz in Landesbesitz bringen. Und das bringt komplizierte Rechtsfragen mit sich.
Mit wie viel Personal, Kapital und Know-how muss das Land sein extra dafür gegründetes Unternehmen Berlin Energie aufstellen, damit es die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen rechtssicher als besten Bewerber auswählen kann? Bis wann und wie kann sich Berlin Energie mit anderen Bewerbern (siehe Kasten) zusammentun? Und wie viel Gestaltungsmacht hat der Senat, wenn es darum geht, die Vergabekriterien festzulegen und zu gewichten?
Wie sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich ein Betreiber seinen Job erledigen würde, müsse das Land prüfen, sagt der Bundeskartellamt-Vertreter Felix Engelsing. Würde sich Berlin Energie etwa mit der Bürgergenossenschaft zusammentun, könnte dies Pluspunkte in Sachen Verbraucherfreundlichkeit geben, so Anwalt Boos. Derweil sei das Kriterium Umweltverträglichkeit nur bedingt strapazierbar – einen Netzbetreiber könne man nicht danach bewerten, ob er auch Kohlekraftwerke im Portfolio hat. Mitte Januar will der Hauptausschuss die Ergebnisse der Anhörung diskutieren.
HARALD WOLF, DIE LINKE
Schon am heutigen Donnerstag bringen SPD und CDU ihren Gesetzentwurf für die Neugründung von Stadtwerken ins Abgeordnetenhaus ein. Als Tochtergesellschaft der Berliner Stadtreinigung sollen diese erneuerbare Energien erzeugen und vertreiben. „Völlig unausgegoren“ und „opportunitätsgetrieben“ nennt der Linken-Energiepolitiker Harald Wolf die Pläne der Regierungsfraktionen. Ein wirtschaftliches und energiepolitisches Konzept sei nicht zu erkennen. „Den Regierungsfraktionen geht es gerade ausschließlich darum, die Initiatoren des Energie-Volksbegehrens schnell zu beschwichtigen“, sagte Wolf.
Jene, die Vertreter des Berliner Energietischs, wollen ebenfalls am Donnerstag bekannt geben, was sie von den Koalitionsplänen halten. Da zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar ist, was aus dem Gesetzentwurf zu Stadtwerken einer- und der Stromnetzkonzession andererseits wird, ist kaum mit einem Stopp des Volksbegehrens zu rechnen.