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Archiv-Artikel

Der Arzneimittel-Boomerang

Tier-Antibiotika können eine große Gefahr für Mensch und Umwelt werden. Einige Präparate lassen sich nur kurze Zeit nachweisen. Verbundprojekt von Wissenschaftlern untersucht nun Abbauwege und Wirkungen der Chemiebomben im Boden

AUS BONNHOLGER ELFES

Mehr als 9.000 Tonnen Antibiotika wurden 1999 in der EU an Schweine, Rinder oder Geflügel verfüttert. Die Tiere scheiden bis zu 90 Prozent davon unverändert wieder aus. Früher oder später landen die Arzneimittel mit dem Mist oder der Gülle auf den Feldern. Was mit ihnen danach passiert, ist noch weitgehend ungeklärt. Möglicherweise sind sie aber mit dafür verantwortlich, dass immer mehr Bakterien gegen Antibiotika resistent werden. Darunter auch zahlreiche Keime, die dem Menschen gefährlich werden können. Forschergruppen aus ganz Deutschland wollen der Gefahr nun auf den Grund gehen. Die Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen, wie die Stoffe im Boden gebunden werden.

Wenn man einen Acker mit Sulfadiazin-belasteter Gülle düngt, verschwindet das Medikament wie von Zauberhand: Schon nach ein paar Stunden lässt sich nur noch die Hälfte der ursprünglich ausgebrachten Substanz mit Wasser aus dem Erdreich herauslösen, nach einem Monat scheint gar kein Sulfadiazin mehr im Boden vorhanden zu sein. Doch wirklich „weg“ ist die Tierarznei nicht: „Schadstoffe wie Sulfadiazin können sich an Humus und andere Bodenbestandteile binden oder sie werden in kleinen Bodenporen eingeschlossen. Man spricht auch von einem ‚Altern‘ der Substanz im Boden. In diesem Zustand lässt sich Sulfadiazin dann nicht mehr einfach nachweisen“, erklärt der Bonner Bodenkundler Markus Förster. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass der Wirkstoff auch in dieser Form noch Bakterien schädigen könne. Tierantibiotika können im Boden doppelt gefährlich wirken. Zunächst einmal können sie Bodenbakterien abtöten und damit das natürliche Mikroorganismen-Gleichgewicht empfindlich stören. So gibt es Bakterien, die Stickstoff im Boden in eine pflanzenverfügbare Form umwandeln. Werden sie geschädigt, ändert sich die Stickstoffnachlieferung für Pflanzen. Dazu besteht die Gefahr, dass sich im Boden resistente Bakterien anreichern und später ihre Resistenzgene an menschliche Krankheitserreger weitergeben.

Der Bonner Bodenkundler Wulf Amelung und sein Team kümmern sich speziell um die Frage, durch welche Mechanismen Sulfadiazin im Boden „festgelegt“ wird und wie verfügbar es dann noch ist. Dazu arbeiten sie mit einer radioaktiv markierten Form des Antibiotikums, die sie so leicht wieder nachweisen können. Die Forscher „waschen“ das mit Sulfadiazin kontaminierte Erdreich zunächst mit Wasser und messen, wieviel Antibiotikum sie damit aus dem Boden herauslösen können. Dann folgen weitere aggressive Extraktionsschritte. Nach jedem Durchgang analysieren die Forscher den Antibiotikagehalt des gewonnenen Extraktes. Auf diese Weise können sie feststellen, wie schnell und wie stark Sulfadiazin im Boden festgehalten wird. Außerdem wollen sie so herausfinden, inwieweit auch „älteres“ Sulfadiazin noch für Verlagerungsprozesse und Bodenorganismen zugänglich ist. Ähnliche Versuche mit einzelnen Bodenbestandteilen wie Tonmineralen oder organischen Substanzen erlauben Aussagen über die Bindungsmechanismen, die für die zunehmende Festlegung von Sulfadiazin im Boden verantwortlich sind. Die extrahierten Bodenproben gehen anschließend an die Projektpartner, die kontrollieren ob das „gewaschene“ Erdreich noch Resistenzen in Mikroben auslösen kann.

An der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe sind auch Arbeitsgruppen aus Dortmund und Aachen beteiligt. Das „Zentralexperiment“ läuft am Forschungszentrum Jülich: Mit Antibiotika behandelte Bodenproben – insgesamt rund 450 Kilo Erdreich – lagern über acht Monate unter kontrollierten Bedingungen. Von dort beziehen alle Arbeitsgruppen ihre Proben: Nur so ist gewährleistet, dass ihre Ergebnisse vergleichbar sind. Aber auch das Bonner Versuchsgut Frankenforst ist in die Forschungsarbeiten eingebunden: Das Gut produzierte antibiotikafreie „Referenzgülle“ – ein wichtiger Beitrag, um sichere Nachweismethoden zu entwickeln und Kontrollexperimente durchführen zu können. Extra für das Projekt zogen die Mitarbeiter einen Teil ihrer Schweine völlig ohne Antibiotika auf – genau wie auch Biolandwirte dies tun.