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Archiv-Artikel

Klinikbelegschaften sollen bluten

Kaum ist der neue Rahmentarifvertrag in Kraft, sollen die Beschäftigten in den vier kommunalen Krankenhäusern für die Zukunftssicherung der Kliniken auf Lohn verzichten. Die Gewerkschaft Verdi bezweifelt die Rechtsgrundlage

Von ede

Bremen taz ■ Jetzt beginnen Zeiten der Lohneinbußen für die Belegschaften der vier kommunalen Kliniken, die unter dem gemeinsamen Dach der Holding Gesundheit Nord zusammengefasst sind. Klar ist auch: Es wird nicht bei der am Dienstag im Aufsichtsrat beschlossenen – nicht genau bezifferten – Kürzung bleiben, die ein Loch von 45 Millionen Euro stopfen soll.

Lohnkosten sind der größte Kostenfaktor in Kliniken. Beim derzeitigen Jahresgesamtumsatz der Kliniken von 430 Millionen Euro machen sie 76,4 Prozent aus. „Das geht nicht“, erklärten gestern vor der Presse einhellig Klinikenchef Wolfgang Tissen und die Bremer Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD). Private Kliniken operierten bereits mit einem Personalkostenanteil von 60 bis 65 Prozent. „Da bleibt mehr über.“ Das will auch Tissen erreichen. Zumal er ab 2009 weitere Belastungen kalkulieren muss: Dann müssen die Kliniken gestundete Pensionskosten aus früheren Jahren an den Finanzsenator zurückzahlen. Ohne drastische Einschnitte wären somit 84 Prozent der Krankenhausausgaben Personalkosten. Dabei schrumpfen die Klinikeinnahmen seit Einführung der Fallpauschalen. Es wird deutlich: Auch ein zehnprozentiger Sparbeitrag der Belegschaften, vier Prozent davon als „befristeter Arbeitnehmerkredit“, wie er nach derzeitigen Tarifverträgen möglich ist, reicht nicht. Ein Trost: „Die Holding und die Geschäftsführer werden ebenfalls Beiträge erbringen“, bestätigte der Klinikenchef Tissen auf Nachfrage. Auch Ärzte seien gefragt.

Konkrete Prozentzahlen für die bevorstehende Tarifrunde mochten Tissen und Röpke gestern nicht nennen. Auch der Aufsichtsrat habe lediglich „verbindliche Beiträge“ im Rahmen der Zukunftssicherung der Kliniken beschlossen. Man wolle den „Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern“ nicht vorgreifen.

Dass es mit der beschworenen Partnerschaft nicht so weit her ist, hatte Verdi-Sekretär Uwe Schmid Stunden zuvor bei einer eigenen Pressekonferenz mit Klinikbetriebsräten deutlich gemacht. „Wir werden erheblich unter Druck gesetzt“, kritisierte er, dass alle Verhandlungen bereits zum Januar 2006 beendet sein sollen. Dabei ist aus Verdi-Sicht noch zu prüfen, ob der Zukunftssicherungspassus, der die Lohneinbußen per Tarifregelung ermöglicht, überhaupt angewendet werden kann. „Die vier Häuser arbeiten auf eigene Rechnung“, erklärte Schmid. Manche schreiben schwarze Zahlen, manche rote, der Defizitausgleich unter den Kliniken sei per Gesellschaftervertrag ausgeschlossen. Vor Verhandlungen bleibe also zu klären, ob Kürzungen bei allen Beschäftigten rechtens seien. Das koste Zeit. Ebenso mögliche Tarifverhandlungen. „Bis Jahresende ist das nicht abgeschlossen.“ Röpke dazu: „Ich sehe keine Probleme. Jetzt ist Verdi dran.“

Aus den Kliniken kommt unterdessen wütende Grundsatzkritik an einer immerwährenden Zahlenflut, deren Glaubwürdigkeit viele bezweifeln. Beschäftigte konfrontierten Gesundheitssenatorin Röpke am Dienstag vor der Aufsichtsratssitzung denn auch mit Protesten. Die Arbeitnehmervertreter betonen, dass sie bei den bisherigen Spar- und Umbauplänen „schon weit gegangen“ sind. Sie wollen nicht nachlassen. Im nächsten Monat soll der von ihnen beauftragte Gesundheitswissenschaftler Karl Lauterbach mit seinem Zahlenwerk kluge Alternativen zum bisher eingeschlagenen Weg aufzeigen.

Zweifel am Kurs der Holding äußerte gestern auch die Grüne Gesundheitspolitikerin Doris Hoch. Dem Lohnkürzungsbeschluss im Aufsichtsrat habe sie nur zugestimmt, „weil ich weisungsgebunden bin“. Doch bezweifle sie die „angeblichen Sachzwänge“. Es gebe eine Reihe strittiger Punkte. Dazu gehören die geplanten Klinikverlagerungen und die äußerst optimistischen Erlöserwartungen aus neuen Angeboten. ede