Berliner Szenen
: Schaffe, schaffe ...

Der Stempel

Die Frau kommt näher. „Er hat immer gearbeitet, immer“

Ich stehe in der Nähe des Bundesamts für Migration in Spandau an einer Haltestelle und warte auf meinen Bus, als mir ein Mann, eine Frau und eine Jugendliche entgegenkommen und mir einen Zettel mit der Adresse der neuen Außenstelle des BAMF in Wilmersdorf hinhalten. Sie fragen mich nach der besten Verbindung. Ich erläutere ihnen kurz ihre Umsteigemöglichkeiten.

Die Frau schreibt mit, der Mann nickt dankbar und sagt: „So etwas ist uns noch nie passiert. Es gab den Stempel immer hier.“

„Welchen Stempel?“, frage ich etwas verwirrt. Es ist neun Uhr morgens, ich habe gerade meine Tochter in den Kindergarten gebracht und bin noch müde.

Der Mann kramt einen dunkelblauen Pass hervor, klappt das Dokument auf und hält es mir genau vors Gesicht. Ich kann auf die Schnelle nur sein Bild und einen roten Kreis in der Mitte erkennen, da klappt er den Pass auch schon wieder zu, wickelt ihn umständlich in eine Klarsichtfolie, legt ihn in eine sonst leere Aktentasche und sagt: „Duldung.“

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, und nicke nur mitfühlend. Er lächelt etwas gezwungen und sagt: „Über zwanzig Jahre sind wir jetzt hier und müssen jedes Mal Angst haben, dass wir ihn nicht noch mal kriegen.“

Die Frau kommt näher. „Er hat immer gearbeitet, immer. Immer gesagt: Schaffe, schaffe, Häusle baue.“ Sie lächelt ihn an. „Deutscher als die Deutschen.“ Der Mann nickt: „Na ja, ich bin doch mittlerweile auch Deutscher.“

Der Mann wendet sich wieder mir zu und erklärt: „ Mein Heimatland gibt’s nicht mehr. Ich bin in Exjugoslawien geboren.“ Er zeigt auf seine Tochter: „Sie soll es mal besser haben. Ich sage ihr immer, dass sie nicht mit Ausländern rumhängen soll. Aus ihr soll schließlich was werden.“ Eva-Lena Lörzer