Berliner Szenen: Nahverkehr, Nahkampf
Im Fahrstuhl
Um 18 Uhr hat das Kind einen Termin, acht Tram-Stationen entfernt. Kurz nach 17 Uhr gehen wir aus dem Haus. Komisch, eigentlich hätte die 17-Uhr-Tram an uns vorbeifahren müssen. Auch um 17.10 Uhr kommt keine. Leider gibt es hier keine dieser digitalen Anzeigen, die einem „Unregelmäßiger Tramverkehr wegen Polizeieinsatz“ oder „Bahn fällt aus“ mitteilen. Um 17.19 Uhr kommt ein junger Mann mit Smartphone und verkündet: „Wegen Unfall am Naturkundemuseum kommt die nächste Bahn erst um 17.37 Uhr.“ Kurze Beratung mit dem Kind. Wir rennen nach Hause. Ab auf die Räder und dann drei Stationen mit Rad und Bahn.
In Rekordzeit sind wir am U-Bahnhof Eberswalder. Wir reihen uns in die Schlange vorm Aufzug. Einen vollen lassen wir fahren. In den nächsten steigen wir ein, gefolgt von einer Mutter mit Kinderwagen und größerem Kind auf Roller. Damit ist der Fahrstuhl eigentlich voll. Ich drücke den „Start-“Knopf. Und dann passiert es.
Eine gepflegt aussehende Frau mittleren Alters mit Blumenstrauß steigt noch ein und keift mich an: „Warum drücken Sie, wenn noch nicht mal alle drin sind? Sie hätten mich in der Tür einquetschen können. Vielleicht einfach mal nachdenken!“ Etwa fünf Sekunden bin ich sprachlos ob dieser geballten Ladung Bosheit. Wenn Kinder dabei sind, reiße ich mich ja eigentlich zusammen, aber das ist zu viel. „Sie dumme Nuss, solange Leute in den Fahrstuhl kommen, geht die Tür gar nicht zu, egal ob man drückt. Und Sie vergreifen sich gerade massiv im Ton.“ Ein hasserfüllter Blick trifft mich. Und dann bellt sie: „Geh doch wieder dahin, wo du hergekommen bist!“
Völlig sprachlos stehen wir kurz darauf unten. Das Kind und ich. Und dann fragt es sehr nachdenklich: „Mama, wo sollen wir wieder hingehen?“ Vielleicht nehmen wir das nächste Mal lieber das Fahrrad. Gaby Coldewey
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