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Archiv-Artikel

Schura-Chef Mehmet Kilinc hört auf

ISLAM Der Ex-Vorsitzende des muslimischen Verbands fordert finanzielle Unterstützung für Nachfolger

Von EIB

Angekündigt hatte es Mehmet Kilinc vor Monaten, jetzt machte er seinen Rückzug vom Amt des Schura-Vorsitzenden offiziell. Der Grund: Ihm fehlt die Zeit, neben seinem Übersetzungsbüro das Ehrenamt auszufüllen.

„Der Schura-Vorsitz ist ein Vollzeit-Job“, sagt Kilinc. Erst 2006 gegründet, schaffte es der Verband unter seiner Leitung, bis heute 21 muslimische Moscheevereine unter einem Dach zu vereinen. Keine einfache Angelegenheit, hat Kilinc erfahren. „Wir haben von liberal bis orthodox alles vertreten, da braucht die Abstimmung untereinander sehr viel Zeit.“ Besonders stolz ist er in dieser Hinsicht auf die „Stellungnahme zum Thema Zwangsverheiratung und Ehrenmord“, die Gewalt an Frauen und „Herrschaftswahn über die Frau“ ohne Einschränkungen und kulturalistische Relativierung in einer Eindeutigkeit und Schärfe ablehnt, die ihresgleichen sucht.

Mit der Schura gab es erstmals einen Verband, den die Politik als Ansprech- und Verhandlungspartner akzeptierte, etwa wenn es um muslimische Gräberfelder auf Friedhöfen oder Religionsunterricht ging. Wie berichtet, laufen darüber hinaus mit dem Senat Gespräche über eine vertraglich gesicherte Anerkennung der Muslime. Neben der Schura, die aus den Millî-Görüș-Moscheen und vielen kleinen Vereinen besteht, sitzen auch die anderen beiden Dachverbände Ditib – vom türkischen Staat unterstützt – und VIKZ (Verband islamischer Kulturzentren) mit am Tisch. In anderen Städten verhandeln die Verbände oft voneinander getrennt.

Kilinc verknüpft seinen Abschied mit einer Forderung: „Wir brauchen eine finanzielle Unterstützung des Staates.“ Mit dieser Einstellung ist er nicht alleine: Erst vor zwei Wochen hatte Helmut Hafner, der Berater des Bürgermeisters in Religionsfragen, auf einer Tagung zur Gleichstellung von Muslimen mit anderen Religionsgemeinschaften auf das Problem hingewiesen. „Wir werden für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen bezahlt“, sagte Hafner. Anders als Vertreter von Kirchen, Verwaltung und Politik müssten die Muslime aber Urlaub nehmen für interreligiöse Projekte und Verhandlungen. „Dafür muss es zeitnah eine Lösung geben“, so Hafner.

Es ist unwahrscheinlich, dass davon bereits Kilincs Nachfolger profitieren wird. Der soll im Januar gewählt werden, bis dahin übernimmt Kilincs Stellvertreter den Vorsitz. EIB