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Archiv-Artikel

Selbst Greenpeace zockt auf Messe mit

Gestern begann die Messe für Gesellschaftsspiele „Spiel 05“ in Essen. Auf der weltgrößten Schau für Gesellschaftsspiele werden erstmals Spiele aus allen fünf Kontinenten gezeigt. Die Aussteller rechnen mit insgesamt 150.000 Besuchern

ESSEN taz ■ Wenn es nach Deutschlands Herstellern von Gesellschaftsspielen geht, dürfte das kommende Weihnachtsgeschäft vor allem ein Geschäft mit Fußballspielen werden. Vor der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr gibt es auf der jährlich stattfindenden Messe „Spiel“ in diesem Jahr besonders viele Spiele zu sehen, die sich mit dem Thema Fußball beschäftigen.

Für die Fans des Klassikers „Tipp Kick“ hat das Unternehmen eine Neuauflage des Spiels als „Sport-Set“ aufgelegt. Es soll helfen, den bisherigen Absatzrekord des Tischfußball-Sets aus dem Jahr 1954 zu brechen. Damals wurden 180.000 Spiele verkauft. Allerdings hat sich der Preis für das Spielvergnügen in den vergangenen 51 Jahren gehörig erhöht. 99 Euro für das ausrollbare Fußballspiel in einer Sporttasche sind wohl eher etwas für den trendigen Jungmanager als für das breite Fußballvolk.

Statt auf den Kopf zu hauen, schießt der Fußballfreund bei der Modellbau Marke Revell den Ball durch Druck auf den Oberkörper. Revells Fußballfiguren sind eher etwas für Sammler mit „Big Jim“-Syndrom. Vollführte der Barbie-Ersatz für Fernfahrer-Söhne früher Handkanten-Schläge bei Druck auf den Rücken, so lassen sich die Nachbildungen von Lukas Podolski, Michael Ballack oder Kevin Kuranyi durch Druck zwischen die Schulterblätter zum Torschuss bringen. Allerdings muss der Spieler Unter- und Oberschenkel vorher spannen und in Position drehen. Richtig flüssiges Spiel kommt so nicht auf, immerhin hat Revell aber die größten Plastikfiguren und setzt wohl mehr auf Merchandising, als auf Spielspaß.

Auf Merchandising setzt auf der „Spiel 05“ auch die Umweltorganisation Greenpeace, die zeigen will, dass Spielen auch ohne giftiges Plastik politisch korrekt funktioniert. Sina Schieweck präsentiert in einem kleinen Stand den Lenkdrachen ohne PVC und das komplett aus Recycling-Material hergestellte Greenpeace-Memory. Das design-prämierte Kartenspiel wird komplett in Deutschland hergestellt und hat eine makellose Öko-Bilanz. Eine Gegen- und Informationsveranstaltung innerhalb der Messehallen gegen Plastik- und Druckgussspielzeug aus Übersee solle der Auftritt der Umweltaktivisten aber nicht werden, sagt Schieweck. Lieber versucht die Organisation wohl, Spielefreunde auch für die Marke Greenpeace zu interessieren.

Markenpflege bekommt auch der Spieleklassiker „Die Siedler von Catan“ verpasst. Um das Spiel, das 1995 den Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ gewann nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wird auf den Essener Messetagen die Weltmeisterschaft des Spiels ausgetragen, das es mittlerweile in zig Variationen gibt. Selbst Schirmmützen mit Spielelogo „Catan“ wurden schon verkauft.

Von diesem Marketingerfolg ist der diesjährige Preisträger des „Deutschen Spielepreises“, der jährlich vor Beginn der Messe von Händlern, Spielern und Journalisten vergeben wird, noch weit entfernt. Im Titelträger „Louis XIV“, können vier Spieler als Günstlinge am Hof des Sonnenkönigs versuchen, sich gegenseitig beim Kampf um Informationen auszustechen, die benötigt werden, um eine geheime Mission zu erfüllen.

Das Spiel ist eine der rund 350 Neuvorstellungen, die auf der diesjährigen „Spiel 05“ gezeigt werden. Neben der Spielemesse werden auf der gleichzeitig laufenden „Comic Action“ auch Comic-Freunde auf ihre Kosten und dem ein oder anderen Idol nahe kommen. Denn zahlreiche Zeichner werden Signierstunden für ihre Bilderbände anbieten. So wird am Panini-Stand beispielsweise der Superman- und Batman-Zeichner Lee Bermejo seine Kunst vorführen und für die Fans auch signieren.ELMAR KOK