: Jukebox
Aus der alten italienischen Küche: Kraut con Wurstel
Es gibt ja genug Sachen, über die man unbedingt mal nachdenken müsste: über das Covern als konzeptuelle Arbeit zum Beispiel (und die heutige Beatles-Trash-Night im Frannz) oder über die Leserhitliste der 100 besten Rollings-Stones-Lieder in der aktuellen Ausgabe des Rolling Stone (mit „Sympathy For The Devil“ auf Platz eins) und ob man angesichts des Revivals des Revivals von Glam-Rock sich nicht allein den Plateaustiefel als vollkommenes Symbol vorstellen sollte für Pop, der doch immer bigger than life sein will und ein wenig zur Selbstüberhöhung neigt. Solche Sachen. Und wie das alles miteinander zusammenhängt. Aber jetzt ist man gerade aus dem Urlaub zurück, und deswegen lässt man das alles erst mal auf dem Schreibtisch liegen und gönnt sich ein paar Werbedurchsagen. Ah: Italien. Und wie schön, dass da in vertrauten Ecken weiter an der Sache gearbeitet wird. Meine beiden italienischen Lieblingsplattenläden, in denen ich bereits meine Second-Hand-Platten zu Zeiten gekauft habe, als es Platten nur auf Vinyl gab, gibt es noch, Disco d’oro in Bologna und Crash records in Padua, und in Padua hab ich dann beim Edelramsch-Höker gleich beim Dom endlich einige Billig-CDs mit dem Frühwerk von Franco Battiato gekauft, den man möglicherweise als den Autoren des Alice-Hits „Per Elisa“ kennen könnte.
Und tatsächlich hat Battiato selbst auch einige schöne Platten gemacht, die ihn als Cantautore ausweisen, so ab den Achtzigern. Seine früheren Alben wie „Pollution“ aber sind ganz anderes Zeug. Ungestüm wirre Angelegenheiten aus sanftmütigen Liedern, Klassikreminiszenzen, Synthesizer-Experimenten und katholische Erlösungsgedanken in der musikalischen Stratosphäre von Tangerine Dream. Ein ineinander verkeiltes Stückwerk. Auf ein Wort: Krautrock. Und ein Titel der Platte, „Areknames“, klingt wie ein Blueprint für Kraftwerks „Autobahn“. Aber die kam 1974. Battiatos Album aber stammt aus dem Jahre 1972.
Vertrautes aus der Fremde gehört. Doch Battiato soll ja einst private Stunden bei Stockhausen genommen haben, und aus dessen Umfeld wiederum kamen aus Köln Can. Prototypischer Krautrock. Nur dass man sich halt nicht darauf versteifen sollte, den Krautrock als genuin (und einzigen) deutschen Beitrag zur internationalen Pop-Bewegung zu betrachten.
Es hängt alles zusammen, selbst wenn es nichts miteinander zu tun hat. THOMAS MAUCH