: Schon lange nicht mehr salonfähig
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Zapfenstreiche das Symbol eines autoritären Staates sind. In der NS-Zeit gehörten sie zur Propaganda. Im Nachkriegsdeutschland herrschte dann Skepsis gegenüber der anachronistischen Zeremonie
Die Bundeswehr knüpft mit dem Zapfenstreich an einen alten militärischen Brauch an. Der erinnert nicht nur an preußischen Militärfetischismus, sondern führt zurück auf das traurige Leben armer Landknechte und Leibeigener im 16. Jahrhundert.
1596 war der Zapfenstreich das Zeichen zum Beginn der Nachtruhe im Feldlager. Wenn die Landknechte nach ihren Zechgelagen zur festgesetzten Abendstunde in ihre Lager zurückkehren sollten, ging ein Offizier, begleitet von Pfeifern und Trommlern, durch die Schänken. Mit seinem Stock schlug er auf den Zapfen der Fässer. Der Zapfen wurde „gestrichen“; also abgeschlagen. Die Knechte mussten sofort in ihre Zelte. Wer sich widersetzte, wurde hart bestraft.
Im Laufe der Zeit wurde es üblich, das Zeichen zur Nachtruhe in musikalischer Form zu geben. Beim Militär sprach erstmals der sächsische Major Hans von Fleming vom „Zapfenstreich“. Das war 1736. Im damaligen Preußen herrschte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Und wie es für einen Preußen gehört, erließ er sogleich Bestimmungen zu diesem Zeremoniell.
Während der Kriege gegen Frankreich (1813–1815) gewann der Zapfenstreich an Bedeutung. Am Abend einer besonders blutigen Schlacht stimmten russische Soldaten einen Trauerchoral an. Daraufhin bestimmte König Friedrich Wilhelm III., ein Gebet in die Zeremonie aufzunehmen. Seitdem lautet das Kommando: „Helm ab zum Gebet“.
Friedrich Wilhelm Wieprecht, ein Wegbereiter deutscher Blas- und Militärmusik, legte 1838 das heute übliche Ritual fest: Anmarsch des Großen Zapfenstreichs aus Spielmannszug, Musikkorps, Waffenzügen und Fackelträgern. Diese Zeremonie wurde zum ersten Mal am 12. Mai 1838 in Berlin mit insgesamt 1.200 Mitwirkenden als Abschluss eines Großkonzerts zu Ehren des russischen Zaren aufgeführt. Seit 1922 gehört auch die Nationalhymne dazu.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert waren Große Zapfenstreiche gang und gäbe. Sie waren eine Zurschaustellung eines starken und autoritären Staates. Vor allem während der NS-Zeit waren sie ein wichtiger Bestandteil der Kriegspropaganda. In der Nachkriegszeit tat sich die neue Bundesrepublik anfangs schwer mit militärischen Zeremonien. Es kam immer wieder zu Widerstand bei öffentlichen Gelöbnissen oder Zapfenstreichen. Dennoch versuchten Verteidigungsminister unterschiedlicher Couleur immer wieder, die umstrittenen Rituale salonfähig zu machen.
Ausführende sind heute das Musikkorps und der Spielmannszug der Bundeswehr sowie die Waffenzüge und Fackelträger des Wachbataillons beim Bundesverteidigungsministerium. Das Zeremoniell beginnt mit dem Einmarsch zu den Klängen des „Yorckschen Marsches“ von Ludwig van Beethoven. Daran schließt sich eine Serenade an, deren Stücke sich in der Regel die zu ehrende Person oder Institution aussuchen darf. Es folgender eigentliche Große Zapfenstreich in der festen Spielfolge und das Gebet. Die Nationalhymne und der Ausmarsch bilden den Abschluss.
Damit beim Einsatz niemand schlapp macht, herrschen am Abend zuvor Alkoholverbot und Bettruhe ab 22 Uhr. Und morgens ist Frühstück Pflicht. Falls dennoch jemand nicht durchhält, kann er in einem eingeübten Verfahren ausgetauscht werden. FELIX LEE