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Archiv-Artikel

Bühne und Politik

Harold Pinter wurde am 10. Oktober 1930 in Hackney, London, als einziges Kind einer ärmlichen jüdischen Familie geboren. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er nach Nordengland evakuiert. Diese Trennung von seinen Eltern schlug sich später in seinen Stücken nieder: Verlustängste und die Zerstörung des Gefühls der Sicherheit sind wiederkehrende Themen. Pinter studierte zwei Semester an der Royal Academy of Dramatic Art, dann brach er das Studium ab. 1949 wurde er wegen Wehrdienstverweigerung zu einer Geldstrafe verurteilt, im selben Jahr schlug er sich mit Mosleys Faschisten im Londoner East End herum. Er schrieb damals ein paar Gedichte, aber sein Geld verdiente er beim Radio mit einer Serie über Fußball. 1951 ging er als Schauspieler mit Shakespeare-Stücken auf Tournee durch Irland, 1957 wurde sein erstes Stück, „The Room“, in Bristol aufgeführt – seine Karriere, die ihm zahlreiche Preise einbrachte, hatte begonnen.

1956 heiratete er die Schauspielerin Vivien Merchant, die Ehe wurde 1980 geschieden. Kurz danach heiratete Pinter die Schriftstellerin Antonia Fraser. Seine Hauptinteressen seien die Familie, das Theater und Cricket, sagte er einmal und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Und Sex und Alkohol.“

Pinters Ruhm als Dramatiker hat seine Arbeit als Drehbuchautor stets überschattet. Dabei hat er zwei Dutzend Drehbücher geschrieben, von denen 17 ohne Veränderungen verfilmt wurden – das können nicht viele Autoren von sich behaupten. Seine Drehbücher sind, mehr noch als seine Theaterstücke, radikal in Form und Inhalt, vor allem „Langrishe, Go Down“ von 1978 und „The Heat Of The Day“ von 1989.

Seit Pinochets Putsch 1973 in Chile engagiert sich Pinter verstärkt für Menschenrechte. Er sprach sich gegen die Nato-Intervention im Kosovo aus, trat dem Komitee zur Verteidigung Milošević’ bei und protestierte vehement gegen den Irakkrieg. Im Februar erklärte Pinter, dass er sich nur noch der Politik widmen werde. „Ich habe 29 Stücke geschrieben“, sagte er. „Ist das nicht genug?“ RALF SOTSCHECK