Heuschrecken am Alex

David Montgomery will den Berliner Verlag kaufen. Gestern stellte er sich den verschreckten Mitarbeitern vor

Heuschrecken dekorierten gestern so manche Tür und zeitweilig auch die Fassade des Berliner-Verlag-Hochhauses am Alexanderplatz. Heuschrecken im roten Verbotsschild, zur Sicherheit noch mal durchgestrichen. Auch drinnen, bei der außerordentlichen Betriebsversammlung, war viel von den so genannten Heuschrecken die Rede, vor allem von einer: David Montgomery.

Der britische Medienmanager und ein von ihm geführtes Konsortium wollen den Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier, Tip) vom Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern übernehmen (taz vom 13. 10.), am Donnerstag war Montgomery zum Antrittsbesuch bei der Verlagsgeschäftsführung nach Berlin gekommen.

Neues für die Belegschaft gab es gestern aber kaum: Von der Stimmung her gut, vom Informationsgehalt flach sei die Betriebsversammlung gewesen, berichteten Teilnehmer einhellig. Denn trotz dreistündiger Gespräche am Vortag konnten Chefredaktion und Geschäftsführung nichts zu den Plänen Montgomerys sagen, der den Verlag inklusive Anzeigenblattkette und Druckerei für rund 150 bis 160 Millionen Euro kaufen will. Und so waren sich in seltener Einmütigkeit MitarbeiterInnen und Management einig – dass man sich nicht kampflos von „Heuschrecken“ schlucken lassen will. „Man kann auch mit gewissen Menschen drei Stunden reden und erfährt trotzdem nichts“, beschrieb Berliner Zeitung-Chefredakteur Uwe Vorkötter nach Berichten von Teilnehmern die Donnerstagsrunde. Solange sie nichts Konkretes wüssten, könnten sie leider auch nichts sagen, habe die Geschäftsführung sekundiert – es gebe „keine neuen Erkenntnisse“.

Bestätigt worden sei immerhin, dass Montgomery tatsächlich eine engere Zusammenarbeit des Boulevardblatts Kurier mit den Anzeigenblättern für denkbar hält. „Das zeigt doch nur, dass er keine Ahnung hat vom deutschen Zeitungsmarkt, geschweige denn der besonderen Situation in Berlin“, kommentierte ein Redakteur derartige Pläne.

Neues kam dafür gestern aus ganz anderen Regionen: Der Kölner DuMont-Verlag (Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau, Express) wolle Holtzbrinck ein Konkurrenzangebot für den Berliner Verlag machen, habe Vorkötter bestätigt. Holtzbrinck muss die Berliner Zeitung wegen Kartellauflagen verkaufen, weil der Verlag in Berlin bereits den Tagesspiegel besitzt. Dass der Stuttgarter Familienbetrieb jetzt auf knallharte Investmentzocker setzt, deutet einen Stilwechsel an. Sichtbares Zeichen: Holtzbrinck-Vorstand Grabner, der für die Printtitel des Konzerns (Zeit, Handelsblatt, Buchverlage) zuständig ist, hatte trotz dringlicher Einladung für die gestrige Betriebsversammlung keine Zeit. STEFFEN GRIMBERG