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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Grundrechte verletzt

■ betr.: „Ich wollte kein nettes Leben haben“, taz vom 15. 12. 12

Die Hartz -IV-Regelungen widersprechen in der Tat eklatant den Grund- und Menschenrechten und auch dem Verbot der Zwangsarbeit. Es ist nur zu hoffen, dass Ralph Boes mit seiner Verfassungsklage Erfolg hat. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln

Nicht nachgefragt

■ betr.: „Die Mutter der Kompanie“, taz vom 15. 12. 12

Hoffen wir mal, dass ihr nur die Pazifisten unter euren Lesern provozieren und nicht etwa Frau Wade als ein gelungenes Beispiel von Frauenemanzipation vorstellen wolltet. Als Anwalt habe ich jahrzehntelang Kriegsdienstverweigerer vertreten, die in Anhörungen beim Kreiswehrersatzamt oder vor Gericht oft über Stunden mit den absurdesten Fragen gequält wurden. Damals habe ich mich gewundert, dass niemand sich einer Befragung unterziehen musste, der bereit ist, auf Befehl andere Menschen zu töten.

Auch ihr habt bei Frau Wade dazu nicht nachgefragt. Durch Frauen in der Bundeswehr gibt es „mehr Ideenreichtum, Flexibilität und Verständnis füreinander“. Ich denke bei einem solchen Satz an die US-Soldatin Lyndie England, die im Abu-Ghraib-Gefängnis bei Bagdad einen nackten Gefangenen an der Hundeleine spazieren führte. Und zur Uniform in der Öffentlichkeit? Ja, ich sitze lieber neben einer „Junkiebraut“ in der U-Bahn. Selbst da ist für mich mehr Hoffnung auf ein erfülltes Leben als neben „sehr höflichen und sehr zuvorkommenden Männern in Uniform, die Macht ausstrahlen“, von denen sich Frau Wade schon als Kind beeindrucken ließ.

UDO GRÖNHEIT, Berlin

Die absolute Ausnahme

■ betr.: „Ich will das so“, taz vom 15. 12. 12

Wie kann mensch ein so schlimmes Thema derartig unterkomplex darstellen. Balsam für die Seele von all den linken Öko-Freiern, die sich in ihrer Illusion suhlen dürfen, dass Prostitution, solange sie sich selbst nett verhalten, absolut in Ordnung sei und bisweilen sogar emanzipatorische Züge haben könnte… oder zumindest soziale. Ohne die tatsächliche Freiwilligkeit von Marleen thematisieren zu wollen, dürfte es sich wohl um die absolute Ausnahme handeln. Ein gesteigertes Problembewusstsein, welches sich zum Beispiel darin hätte zeigen können, dass auf die Tatsache, dass ca. 95 Prozent der Prostituierten sich eben nicht in einer vergleichbaren Situation befinden und von Freiwilligkeit in deren Kontext zu sprechen der blanke Hohn ist, hätte dem Anspruch der taz gut getan.

TOBIAS KLARMANN, Reutlingen

Ekelerregend einseitig

■ betr.: „Ich will das so“, taz vom 15. 12. 12

Ich bin ziemlich schockiert und wütend darüber, in Ihrer Zeitung einen ausschließlich positiven Bericht zum Thema Prostitution vorzufinden. Dieser Bericht täuscht über sämtliche Probleme, die sogenannte Sexarbeit mit sich bringt, hinweg und ist auf ekelerregende Weise einseitig.

Ich weiß überhaupt nicht, wo ich anfangen soll zu kritisieren. Vielleicht damit, dass die junge Frau, der Sie mit diesem Bericht eine Plattform bieten, wohl ihre eigene Definition von Prostitution hat. Wählt man stattdessen die Definition der amerikanischen Juristin Catharine MacKinnon, so ist Prostitution („normale“ Prostitution, nicht Zwangsprostitution!) ein Verbrechen gegen die Menschenrechte. Die Studentin, die sich Geld dazuverdient, indem sie ihren Körper verkauft, nervt es, dass in Ländern wie Schweden Freier bestraft werden? Es gibt aber gute Gründe dafür, warum dies der Fall ist und ganz nebenbei auch noch Studien, die die positiven Folgen dieser Regelung belegen.

Des Weiteren wäre es wohl angebracht, Studien aufzuführen, die besagen, dass drei Viertel der Prostituierten in diesem Land alkoholabhängig sind oder Drogen nehmen (in der Straßenprostitution 95 Prozent; offensichtlich stecken nur wenige Frauen diese Arbeit so gut weg wie besagte Studentin), ein ziemlich großer Anteil von ihnen als Kinder oder Jugendliche sexuell missbraucht worden ist, nur drei bis fünf Prozent der Frauen sich selbstständig prostituieren (wie „Marleen“ das tut) und 90 Prozent der Prostituierten in Deutschland aus Osteuropa kommen (nicht aus bayerischen Dörfern). Die Politik hat inzwischen gemerkt, dass die rot-grüne Regierung mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 mehr Schaden angerichtet hat, als den Prostituierten zu helfen. LEONIE BOSSERT, Greifswald