: Fliegen ist doch zu schön
WINTERSPORT Die große Zeit der Rückkehr ist gekommen: Janne Ahonen fliegt wieder, und auch in der Nordischen Kombination gibt es Comeback-Versuche von zwei Altmeistern
MARTIN SCHMITT ÜBER SEINEN KONKURRENTEN JANNE AHONEN (OBEN)
VON KATHRIN ZEILMANN
Natürlich könnte man es im Nachhinein als Auszeit sehen, als ein Jahr für die Familie, für den Motorsport – und fürs Wohlbefinden. Janne Ahonen aus Finnland, der fünf Weltmeistertitel gesammelt und fünf Mal die Vierschanzentournee gewonnen hat, steigt wieder auf die Bakken. Denn er will 2010 Olympiasieger werden. Die olympische Goldmedaille fehlt noch in seiner Edelmetallsammlung. In seiner Absenz hat Ahonen Schlagzeilen gemacht. Er hat ein Buch veröffentlicht und darin nicht nur von Alkoholeskapaden berichtet, sondern auch beschrieben, wie er sich mit radikalen Hungerkuren vor entscheidenden Wettkämpfen dem Gewichtsdiktat seiner Branche beugte.
Tagelang hat er sich demnach nur von Kaffee ernährt, um leicht genug zu sein für den Schanzensport. Die Skisprung-Szene spricht ungern über dieses Thema, weil sich krasses Hungern nicht mit dem Ideal vom gesunden, fröhlichen Athleten, der seinem Sport gerne nachgeht, verträgt. Aber Ahonen, 32, ist bereit, den Kampf gegen das Gewicht und gegen die Konkurrenz wieder aufzunehmen. „Ich bin zuversichtlich“, lässt Ahonen übermitteln. Dieser Meinung schließen sich die Konkurrenten und Trainer an. „Was man so hört, springt er schon sehr, sehr gut“, sagt Martin Schmitt, der bereits im Winter von Ahonens Comeback-Plänen erfahren hatte. Offiziell kündigte der Finne erst im Frühjahr seine Rückkehr an. „Ich war doch überrascht. Bei seinem Abschied hatte ich nicht den Eindruck, dass er zurückkommen würde“, sagt Schmitt noch. Womöglich, und da lächelt er ein wenig, seien Ahonen die Dragster-Rennen ja zu langweilig geworden. Ahonen hatte schon immer ein Faible für den Motorsport und wollte sich eigentlich nach dem Ende der Skisprung-Laufbahn darauf konzentrieren.
„Das ist definitiv ein Comeback mit Erfolgsaussichten“, sagt Schmitts Trainer Werner Schuster vorm ersten Saisonspringen in Kuusamo am Freitag. „Mich würde es überraschen, wenn Janne Ahonen nicht in den Top 10 auftaucht.“ Jedoch ist der deutsche Cheftrainer skeptisch, ob es für den Finnen noch einmal zu Rang eins reichen wird: „Die Entwicklung ging ja doch weiter.“ Andere Springer haben es sich schön eingerichtet auf den vordersten Plätzen, der Tourneesieger Wolfgang Loitzl aus Österreich etwa oder sein Teamkollege, Gesamtweltcupsieger Gregor Schlierenzauer, außerdem die beiden Schweizer Simon Ammann und Andreas Küttel.
Der österreichische Kombinierer Felix Gottwald dagegen hat schon zweimal Olympiagold gewonnen im Sprint und im Teamwettkampf von Turin 2006. 2007 hat er seine Laufbahn beendet, bezeichnete sich selbst als Unternehmer und hielt Vorträge. Nun will er wieder laufen und springen. Sein Management verschickt seit geraumer Zeit blumige E-Mails, in denen nicht von einem Comeback die Rede ist, sondern von einem Neustart. „Ich will diese zweite Karriere genießen“, sagt Gottwald. Kurz vor den Spielen in Vancouver strebt auch der Finne Hannu Manninen eine Rückkehr in die Weltspitze der Kombinierer an. Vorbild der beiden dürfte Todd Lodwick aus den USA sein, der seine Karriere schon beendet hatte, dann aber doch für die WM in Liberec in diesem Jahr trainierte – und zwei Titel holte. Das Laufen, glaubt der deutsche Bundestrainer Hermann Weinbuch, werde beiden Altstars keine Probleme bereiten: „100.000 Trainings- und Wettkampfkilometer im Leben sind eine gute Basis.“ Beim Springen allerdings könne es heikel werden, „da frage ich mich, ob sie mithalten können.“ Und gerade die Olympiaschanze in Vancouver könne den beiden Teilzeitkräften mit den hochfliegenden Olympia-Träumen gefährlich werden, glaubt Weinbuch: „Felix und Hannu haben ihre Stärken nicht in der Flugqualität, sondern eher im Absprung. Aber in Vancouver ist die Flugqualität sehr wichtig, das ist eine moderne Schanze.“