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Archiv-Artikel

Schwarz-Gelb streitet über höhere Strafen

POLIZEI Eine Studie will alle deutschen Polizisten zu Gewalterfahrungen befragen. Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt stiegen in zehn Jahren um 31 Prozent. Die Union will dafür härtere Strafen, FDP nicht

Von LUS

BERLIN taz | Das Bundesjustizministerium dementiert Meldungen, wonach sich die schwarz-gelbe Koalition einig sei, härtere Strafen für Gewalt gegen Polizisten einzuführen. „Ich betone, dass es darum geht, den strafrechtlichen Schutz der Beamten zu verbessern – von einer Erhöhung des Strafmaßes steht nichts im Koalitionsvertrag“, sagte Ulrich Staudigl, Sprecher des Bundesjustizministeriums gestern. „Über Details und Zeitpläne wurde bisher weder in der Bundesregierung noch im Bundesjustizministerium geredet.“

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, neuer Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, hatte am Dienstag die aktuellen Regelungen kritisiert und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aufgefordert, zügig einen Vorschlag mit einer „Erhöhung des Strafmaßes“ zu erarbeiten. „Das ist reine Symbolpolitik. Die Strafrahmen, die wir haben, reichen völlig aus“, sagte Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Linkenfraktion und ehemaliger Bundesrichter. Bisher werden schwere Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft. „Ich kenne keinen Fall, in dem das Strafmaß ausgeschöpft wurde“, sagte der Anwalt und Grünen-Politiker Christian Ströbele. Härtere Fälle würden sowieso unter anderen Paragrafen verhandelt – so werde etwa auf „versuchten Mord“ angeklagt, wer einen Molotowcocktail auf einen Polizisten werfe.

Die Bundesinnenministerkonferenz will sich in der kommenden Woche mit dem Thema Gewalt gegen Polizeibeamte befassen. Laut Statistik des Bundeskriminalamts ist die Zahl der Fälle von „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zwischen 1998 und 2008 von 22.000 auf über 28.000 Fälle angestiegen. Unter den entsprechenden Paragrafen fallen allerdings sowohl Fälle, in denen sich ein Demonstrant bei einer Festnahme aufbäumt, als auch gezielte Angriffe auf Polizisten. Genauere Statistiken, welche Straftaten den Anstieg ausmachen, gibt es nicht.

Diese Lücke soll eine Studie füllen, die die Innenminister beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Auftrag geben werden. Das Institut will alle 250.000 Polizisten online befragen, die Teilnahme ist aber freiwillig. Ein Komplex mit psychologischen Fragen an die Beamten selbst – etwa zu ihrem Umgang mit Wut – wurde auf Kritik hin gestrichen. LUS