„Aus zuverlässigen Quellen“

DOKUMENTE DER VERNICHTUNG 3 „Unternehmen Barbarossa“ – am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. Die taz dokumentiert einen Bericht aus der „New York Times“

Die „New York Times“ schreibt am 26. Oktober 1941 über ein Massaker an Juden in Kamenez-Podolsk in der Westukraine. Das Massaker war die erste große ­organisierte Massentötung nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. In der „New York Times“ erschienen regelmäßig zutreffende Bericht über den Genozid:

Tausende Juden, die aus Ungarn nach Galizien deportiert wurden, sowie Abertausende galizische Juden sind von deutschen Soldaten und ukrainischen Banditen mit Maschinengewehren erschossen worden. Über diese Massaker – so ist hier aus zuverlässigen Quellen zu erfahren – wird in Briefen aus Galizien nach Ungarn sowie in Augenzeugenberichten ungarischer Offiziere berichtet, die nach dem Ende der Deportationen am 10. August wieder zurückgekehrt sind.

In der Schilderung eines ungarischen Offiziers ist von einem Massaker in der Gegend um Kamenez-Podolsk die Rede, bei dem 2.500 Deportierte sowie 8.000 galizische Juden umgebracht worden seien. In anderen Darstellungen wird die Anzahl der Toten sogar auf 15.000 geschätzt. Unter den Deportierten sollen sich viele aus Drittländern stammende Flüchtlinge befunden haben.

Insgesamt sollen im Juli und in den ersten Augusttagen 18.000 Juden von Ungarn nach Galizien deportiert worden sein. Es heißt, sie lebten in Dörfern am Dnjestr. In den Berichten heißt es, die Opfer seien erschossen worden, als sie sich zum Gebet in ihren Synagogen befanden. Andere wurden auf der Flucht vor ihren Mördern umgebracht. Die Anzahl der Toten soll so groß sein, dass die Leichen den ­Dnjestr ­hinuntertrieben, ohne dass man sich große Mühe machte, sie zu bergen und zu begraben. Diesen Schilderungen zufolge haben die Deportierten den 27. und 28. August zu Trauertagen erklärt.

Unterdessen finden laut anderen Berichten, die hier per Fernschreiben aus Ungarn eingingen, wieder neue Deportationen von Juden statt. Die derzeitige jüdische Bevölkerung Ungarns, einschließlich der Gebiete, die Ungarn sich in diesem Krieg angeeignet hat, wird auf 800.000 Personen geschätzt.

Aus: „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Band 7: Sowjetunion mit annektierten Gebieten“. Dokument 101, Oldenbourg Verlag, München 2011